Testautomation von Beginn an richtig umsetzen 5 häufige Fehler beim automatisierten Testen

Ein Gastbeitrag von Olexiy Vovk * 9 min Lesedauer

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Testautomatisierung ist zu einem Eckpfeiler eines erfolgreichen und effizienten Produktlebenszyklus geworden, insbesondere vor dem Hintergrund des rasanten Wachstums der IT-Branche und des hohen Tempos der Softwareentwicklung.

Schlecht umgesetzt und zu früh scharf geschaltet, kann sich kann sich Testautomatisierung gegen einen wenden.
Schlecht umgesetzt und zu früh scharf geschaltet, kann sich kann sich Testautomatisierung gegen einen wenden.
(Bild: © Olivier Le Moal – stock.adobe.com)

Seit mehr als sieben Jahren befasse ich mich mit automatisiertem Testen. Da ich bei Sigma Software als Praktikant angefangen und alle Stufen des Wachstums durchlaufen habe, werde ich mich hauptsächlich auf die im Rahmen meiner Teilnahme an über 20 Projekten gesammelten Erfahrungen stützen.

Was versteht man unter Testautomatisierung?

Testautomatisierung beschleunigt die Verifizierung und Erkennung von Fehlern und steht an der Spitze der Qualitätssicherung von Produkten. Sie garantiert einen stabilen Betrieb und die Einhaltung der festgelegten Anforderungen. Dadurch werden mehrere wichtige Aufgaben gelöst: Schnelligkeit und Effizienz der Tests, Wiederholbarkeit der Prüfungen, frühzeitige Erkennung von Fehlern und fortlaufende Integration.

Zukunftsorientierte Unternehmen setzen erhebliche Ressourcen für die Automatisierung ein, da sie erkannt haben, dass es damit möglich ist, neue Versionen in kürzester Zeit freizugeben und gleichzeitig die Qualität der Produkte aufrechtzuerhalten. Neben den vielen Vorteilen kann die Automatisierung jedoch auch zu einer Quelle unerwarteter Probleme und Kosten werden, wenn sie nicht klar verstanden und richtig angegangen wird.

Im Folgenden gehe ich auf die häufigsten Fehler ein, die zukünftigen oder aktuellen Automatisierungsexperten bei der Implementierung des automatisierten Testens gegenüberstehen können und die ich selbst erlebt habe. Außerdem gebe ich Empfehlungen, wie man solche Fehler vermeiden kann.

Fehler Nr. 1: Die Automatisierungsziele missverstehen

Meiner Erfahrung nach ist einer der häufigsten Gründe für das Scheitern der Testautomatisierung ein verzerrtes oder unvollständiges Verständnis ihrer Ziele. Viele Teams sehen in der Automatisierung fälschlicherweise eine Möglichkeit, die für Tests benötigte Zeit zu verkürzen oder menschliches Engagement zu ersetzen, wodurch die Gehälter der Testingenieure gesenkt werden können.

So beginnen sie den Automatisierungsprozess, ohne genau zu wissen, was sie erreichen wollen. Dies kann zu fehlgeleiteten Bemühungen und infolgedessen zur Ineffizienz des gesamten Prozesses führen. Denn ohne klar festgelegte Ziele kann es zu einer „Automatisierung um der Automatisierung willen“ kommen.

Ich habe zum Beispiel einmal miterlebt, wie einem Startup-Entwicklungsprojekt auf Kundenwunsch eine Automatisierung hinzugefügt wurde, nur weil dessen Freund eine im Einsatz hatte. Ein anderes Projekt befasste sich mit der Entwicklung eines Rahmenwerks für eine sehr komplexe und flexible Benutzeroberfläche zur Abdeckung einiger Rauchtest-Szenarien.

Dies hat potenziell negative Folgen:

  • Geldverschwendung – man kann Dutzende oder Hunderte von Stunden für ein Produkt verschwenden, das keinerlei Nutzen bringt und oft sogar zusätzliche Zeit für die Wartung benötigt.
  • Vertrauensverlust in automatisierte Tests – wenn das Falsche geprüft wird, schlagen sie oft fehl oder übersehen Fehler. Das Entwicklungsteam und der Kunde können den Automatisierungsergebnissen gegenüber skeptisch sein.
  • Falscher Testumfang – die falsche Wahl der Testumfänge kann zur Automatisierung unkritischer Szenarien führen, die nicht besonders nützlich sind und sogar aus dem Versionsumfang entfernt werden können. Bei diesen Tests lohnt sich eine Automatisierung schlichtweg nicht.

Wie lassen sich solche Probleme vermeiden?

  • Vor dem Start gilt es, zuallererst die Hauptziele der Automatisierung festzulegen. Dies kann die Reduzierung der Zeit für Regressionstests, die Automatisierung zeitaufwändiger manueller Testszenarien, kritische Szenarien usw. umfassen.
  • All das sollte im Team besprochen und verifiziert werden, dass die Automatisierung zur Kostenminderung fürs manuelle Testen solcher Aufgaben beitragen wird.
  • Ebenso sollte sichergestellt sein, dass das Produkt technisch automatisierbar ist.

Fehler Nr. 2: Fehlender Nachweis der Machbarkeit vor Beginn der Automatisierung

Viele Teams, die von der Idee der Automatisierung mitgerissen wurden, übersehen oder vernachlässigen eine kritische Phase: den Machbarkeitsnachweis. Diese Phase ist ein kleines Experiment, das dazu dient, die Durchführbarkeit der gewählten Automatisierungsstrategie und -werkzeuge für ein bestimmtes Projekt zu ermitteln.

Ein fehlender oder unvollständiger Machbarkeitsnachweis kann dazu führen, dass das Team ungeeignete Tools oder Ansätze wählt, was viele Probleme verursacht und die Kosten des Projekts erheblich erhöht. Der Machbarkeitsnachweis ermöglicht es dem Team, Risiken frühzeitig zu bewerten, potenzielle Probleme zu erkennen und festzustellen, ob die ausgewählten Tools und Ansätze den Anforderungen entsprechen – und ob es möglich ist, das betreffende Produkt mit den auf dem Markt verfügbaren Tools zu automatisieren.

Zu welchen negativen Folgen führt dies?

  • Die Kosten für die Überarbeitung der Rahmenumgebung – fehlt der Nachweis der Machbarkeit, verschwendet das Team möglicherweise viel Zeit und Ressourcen für Tools oder Methoden, die später geändert oder aufgegeben werden müssen.
  • Zeitverlust – die Zeit, die mit dem Versuch verschwendet wird, sich an ein ungeeignetes Hilfsmittel anzupassen, könnte viel produktiver genutzt werden.
  • Frustration des Teams – erfolglose Umsetzungsversuche können zu Frustration und Demotivation des Teams führen.

Meine Empfehlungen:

  • Vor dem Machbarkeitsnachweis gilt es, klar zu umreißen, was die Automatisierung bringen soll und welche Anforderungen die Tools erfüllen müssen.
  • Der Nachweis der Machbarkeit sollte nicht zu lang dauern. Es geht um eine schnelle Einschätzung, nicht um eine vollständige Umsetzung.
  • Die Ergebnisse des Machbarkeitsnachweises sollte man sorgfältig unter Berücksichtigung technischer und geschäftlicher Aspekte analysieren.

Der Nachweis der Machbarkeit ist nicht nur eine weitere Formsache, sondern ein wichtiger Schritt, der Zeit, Geld und Mühe sparen kann. Wer sicherstellen will, dass ein Testautomatisierungsprojekt erfolgreich ist und den erwarteten Nutzen bringt, darf diese Phase nicht vernachlässigen.

Fehler Nr. 3: Zu frühe Automatisierung

Der folgende häufige Fehler, den Teams begehen, ist die zu frühe Implementierung der Automatisierung. Dies kann aus verschiedenen Gründen geschehen, z. B. aus geschäftlichem Druck, aus dem Wunsch, einen Vorsprung vor der Konkurrenz zu haben, oder aus reiner Begeisterung. Mit der Automatisierung zu beginnen, bevor das Produkt oder die Funktionalität ausreichend stabilisiert ist, ist jedoch eine Strategie, die zu vielen Problemen führen kann – es sei denn, man ist sich seiner Sache zu 100 Prozent sicher.

Frühzeitiges Eingreifen bedeutet oft, dass das Team mit der Automatisierung von Testszenarien für die Funktionen beginnt, die sich erheblich ändern können. Dies bringt die Notwendigkeit mit sich, die automatisierten Tests oder sogar den Kern der Rahmenumgebung ständig zu verfeinern und anzupassen, was zu erheblichen Zeit- und Geldverlusten führen kann.

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Mögliche negative Folgen:

  • Häufige Überarbeitung der Testszenarien – eine sich aktiv entwickelnde Funktionalität oder ein Produkt erfordern ständige Änderungen in den automatisierten Tests.
  • Erhöhte Kosten – ständige Änderungen und Verbesserungen der Tests können zu erhöhten Kosten für deren Unterstützung führen.
  • Instabile Testergebnisse – ständige Änderungen der Funktionalität führen zu Fehlern beim Testen. Sie werden oft Warnhinweise erhalten, die das Team demotivieren und die Automatisierung für den Kunden schlecht aussehen lassen.

Empfehlungen, wie man dies verhindern kann:

  • Produktstabilität bewerten: Bevor mit der Automatisierung begonnen wird, sollte man dafür Sorge tragen, dass die grundlegenden Funktionen des Produkts oder der Anwendung stabil genug sind und beibehalten werden können.
  • Mit kritischen Szenarien starten: Wer früh mit der Automatisierung beginnt, sollte sich auf die wichtigsten und stabilsten Szenarien konzentrieren. Man könnte beispielsweise mit dem Testen der API beginnen und die UI-Tests verschieben, bis die Benutzeroberfläche stabilisiert ist.
  • Änderungen einplanen: Wenn bekannt ist, dass sich einige Bestandteile des Produkts in Kürze ändern werden, sollte der Automatisierungsplan das berücksichtigen.

Der richtige Zeitpunkt für die Automatisierung ist entscheidend für ihre Wirksamkeit und ihren Wert. Es ist wichtig, abzuwägen, ob das Produkt bereit für die Automatisierung ist – und nur dann damit zu beginnen, wenn es wirklich angemessen ist und den größten Wert verspricht.

Fehler Nr. 4: Zu komplexe Testszenarien

Einer der häufigsten Fehler bei der Automatisierung ist das Erstellen zu komplexer und langwieriger Testszenarien, insbesondere beim Testen von E2E-, also End-to-End-Benutzeroberflächen. Wenn Teams beginnen, sich stark auf E2E-Tests zu verlassen und andere Testebenen auszulassen, können mehrere Probleme entstehen.

Bei E2E-Tests wird das System als Ganzes anhand der Aktionen eines echten Benutzers überprüft. Sie sind wichtig, aber auch am teuersten und zeitintensivsten. Die Komplexität der Szenarien und der übermäßige Einsatz von E2E-Tests können die Notwendigkeit anderer Testarten, wie z. B. Einheits- oder Integrationstests, überdecken.

Mögliche negative Folgen:

  • Lange Ausführungszeit – eine große Anzahl von langen E2E-Tests erhöht deren Ausführungszeit, was den Entwicklungsprozess verlangsamen kann.
  • Mehr falsch-positive Ergebnisse – in der Regel sind E2E-Tests aufgrund der vielen externen Abhängigkeiten weniger stabil, was zu häufigen falsch-positiven Ergebnissen führt.
  • Hohe Unterstützungskosten – aufgrund ihrer Komplexität und Länge erfordern E2E-Tests einen erheblichen Aufwand beim Erstellen und Pflegen.

Meine Empfehlungen:

  • Dem Prinzip der automatisierten Testpyramide folgen: ein großer Basisteil mit schnellen Einheitstests, weniger Integrationstests und noch weniger E2E-Tests an der Spitze.
  • Kürzung und Optimierung: Es ist eine gute Idee, lange E2E-Szenarien in kurze aufzuteilen oder mehrere Tests zu kombinieren.
  • Parallele Ausführung: Gibt es viele E2E-Tests, sollten diese parallel laufen, um den Testprozess zu beschleunigen.

Obwohl E2E-Tests für die Strategie unerlässlich sind, sollten sie nicht das Hauptinstrument sein. Die richtige Kombination verschiedener Testebenen trägt zur Erstellung eines überzeugenden und nachhaltigen automatisierten Systems bei.

Fehler Nr. 5: Fehlende Metriken und Berichterstattung

Meiner Erfahrung nach sind automatisierte Tests ohne ordnungsgemäße Überwachung und Analyse wie eine Reise durch unbekanntes Terrain ohne Kompass. Auch wenn ein Automatisierungssystem seine Tests erfolgreich zu Ende führt, ist es ohne ordnungsgemäße Metriken und Berichterstattung nicht möglich, die tatsächliche Leistung und den Wert der Tests zu erkennen.

Mithilfe von Metriken und Berichten lassen sich der Status und die Ergebnisse der Tests nachverfolgen und Feedback zu Problembereichen geben, die Aufmerksamkeit erfordern. Sie zeigen Muster auf, die mit häufigen Fehlern verbunden sind, und können dem Team helfen, fundierte Entscheidungen darüber zu treffen, wo es seinen Code oder seine Tests verbessern sollte.

Mögliche negative Folgen:

  • Unfähigkeit, Problembereiche zu identifizieren – ohne Metriken ist es schwer festzustellen, welche Anwendungsbereiche am anfälligsten sind oder häufig ausfallen.
  • Schwierige Bestimmung des ROI – fehlende Berichterstattung erschwert den Nachweis der Wirksamkeit und Rentabilität der Automatisierungsimplementierung.
  • Verschlechterung der Produktqualität – wenn das Team nicht versteht, wie und wo Fehler am häufigsten auftreten, hat es weniger Möglichkeiten zu deren Beseitigung.

Empfehlungen:

  • Schlüsselmetriken identifizieren: Zunächst einmal steht die Entscheidung an, welche Metriken für das Projekt am wichtigsten sind. Dazu gehören der Prozentsatz der erfolgreichen Tests, die Vorlaufzeit, die Anzahl der gefundenen Fehler usw.
  • Reporting-Tools: Ein Berichtssystem innerhalb der Automatisierungspipeline sollte nach jedem Testlauf automatisch Berichte erstellen.
  • Daten regelmäßig analysieren: Man sollte sich Zeit für die Überprüfung und Analyse von Metriken nehmen, um ständig mögliche Verbesserungen zu ermitteln.

Die richtigen Metriken und ein effektives Berichtssystem können wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer hochwertigen und effizienten Automatisierung sein. Sie geben dem Team das Feedback, das es braucht, und befassen sich mit den wichtigsten Bereichen, die verbessert werden müssen.

Zusammenfassung

Testautomatisierung ist ein leistungsfähiges Werkzeug, das bei richtiger Anwendung der Schlüssel zu einem erfolgreichen und qualitativ hochwertigen Produkt sein kann. Ohne ein klares Verständnis der Ziele, ohne die Wahl der richtigen Mechanismen und ohne ständige Unterstützung kann sich dieses Instrument jedoch gegen einen wenden. Wer die oben genannten Empfehlungen befolgt, vermeidet die größten Fehler und kann den Automatisierungsprozess so effizient wie möglich gestalten.

* Über den Autor
Olexiy Vovk ist Lehrer an der Sigma Software University und leitender Ingenieur für Testautomatisierung bei Sigma Software. In sieben Jahren nahm er an mehr als 20 Automatisierungsprojekten in den Bereichen Telekommunikation, soziale Netzwerke, Cloud-Dienste, Banken und anderen Bereichen teil. Olexiy implementierte die Automatisierung von Grund auf, überarbeitete bestehende Lösungen und verfügt über umfangreiche Erfahrungen beim Erstellen schlüsselfertiger Automatisierungslösungen.

Bildquelle: Sigma Software Group

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