Verständlichkeit verbindet Klare Sprache erleichtert dezentrale Arbeit

Ein Gastbeitrag von Gidon Wagner 5 min Lesedauer

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Wer dezentral arbeitet, ist noch stärker auf digitale Informationen angewiesen als in traditionellen Arbeitsmodellen. Untersuchungen zeigen: Produktivität und Effizienz sind eng mit der Qualität von Sprache und Informationen verknüpft.

Durch verständliche Sprache werden komplexe Vorgänge klar und nachvollziehbar. Repräsentative Umfragen zeigen, dass Menschen Organisationen mehr vertrauen, die auf Fachsprache verzichten.
Durch verständliche Sprache werden komplexe Vorgänge klar und nachvollziehbar. Repräsentative Umfragen zeigen, dass Menschen Organisationen mehr vertrauen, die auf Fachsprache verzichten.
(© Alextanya - stock.adobe.com)

Eine wertschätzende Feedback­kultur hält Teams zusammen – besonders wichtig ist das beim Arbeiten im Home Office. Wenn sich Teammitglieder wohlfühlen, ist das eine gute Voraussetzung für erfolgreiche Projekte. Völlig unterschätzt von Vorgesetzten und Mitarbeitern ist der positive Effekt klarer Sprache auf Arbeitsergebnisse – und der negative Effekt schwer verständlicher Kommunikation. Die Produktivität drosseln unter anderem:

  • Ausschweifende E-Mails, aus ­denen nur schwer Handlungen abgeleitet werden können.
  • Schwer verständliche Dokumente, die die Bearbeitungszeit erhöhen.
  • Unverständliche Handbücher und Leitfäden, die das Einhalten von Prozessen erschweren.
  • Schwer verständliche Entscheidungsvorlagen, die Entscheidungen verzögern oder ihre Qualität verschlechtern.
  • Übermäßiger Gebrauch von Fachjargon, der Nicht-Experten ausschließt und die notwendige klare Verständigung innerhalb interdisziplinärer Teams behindert.

Untersuchungen zeigen, wie wichtig klare Kommunikation am Arbeitsplatz ist. Einige Beispiele:

  • Eine Studie bei einem kanadischen Finanzdienstleister zeigte: Verständliche Sprache kann die Produktivität von Mitarbeitern um bis zu 36,9 Prozent erhöhen.
  • Auch die Fehlerquote konnte in dieser Studie durch Klartext um 77 Prozent gesenkt werden.
  • Die Agentur „Labrador“ fand in einer Studie heraus, dass kurze Sätze ohne Fachjargon beim Lesen etwa 50 Prozent der Zeit sparen.
  • Zudem konnten sich 41 Prozent der Studien-Probanden wichtige Informationen besser merken, wenn sie einfach formuliert waren.

Behördensprache

In seinem Online-Kurs „Verständlich verwalten“ nennt Dr. Jörg Bockow einen häufigen Einwand von Teilnehmern: „Bei uns sagt man das eben so.“ Historisch gesehen stammt Verwaltungssprache aber aus einer Zeit, in der nur ein bestimmter Kreis die Verlautbarungen der Obrigkeit verstehen sollte.

Dieser Ansatz ist nicht mehr zeitgemäß, sagt der Experte, der unter anderem an der Fortbildungsakademie des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen unterrichtet. Die Sprache sollte sich an die Verhältnisse anpassen. Von den ­positiven Effekten klarer Kommunikation profitiert nicht nur die Beziehung zum Bürger – auch die interne Verständigung funktioniert in klarer Sprache besser und spart Zeit.

Verständliche Sprache wirkt sich auf alle Teile der Organisation positiv aus. Klare Kommunikation spart Zeit, senkt Rückfragen, reduziert Fehler und erleichtert die Einarbeitung. Besonders wichtig ist klare Sprache in den folgenden Bereichen.

Projektmanagement

Ob im Online-Meeting mit Micro­soft Teams, im internen Wiki mit Confluence oder in E-Mails: Fachsprache bremst Kommunikation und ist eine Fehlerquelle. Wirtschaftsjargon wie „Kostendruck­inflation“ oder IT-Sprech wie „ASCII“ und „RAM“ können für Teammitglieder ohne einschlägige Fachkenntnisse schwer verständlich sein.

Viele Mitarbeiter verzichten darauf, die genaue Bedeutung von Fachausdrücken zu hinterfragen. Andere denken, sie hätten das Gesagte verstanden, liegen mit ihrer Erklärung aber daneben. Das schafft nicht nur Missverständnisse, sondern verhindert eine kreative und informierte Zusammenarbeit.

Anstatt über den Kern von Proble­men und Lösungen zu sprechen, reden Teammitglieder mit Floskeln wie „Agilität“, „Nachhaltigkeit" oder „Disruption“ aneinander vorbei. Jeder versteht darunter etwas anderes, bis der Sinn gemeinsam an konkreten Beispielen erörtert wird.

Damit jeder Mitarbeiter die Ziele und Anforderungen des Projekts versteht, sollten Verantwortliche komplexe Dinge konkret erklären, am besten beispielhaft. Das fördert nicht nur ein inklusives Arbeitsumfeld. Es vermeidet Missverständnisse und steigert die Effektivität der Teamarbeit.

Interne Kommunikation

Unbequeme Entscheidungen verstecken wir gern hinter Beschönigungen und abstrakter, toter Sprache. Das schwächt vielleicht den ersten Schrecken ab, wenn die Rede von „Umstrukturierungen“ ist, statt von „Stellenabbau“. Es erhöht aber auch das Misstrauen von Mitarbeitern und Bürgern. Repräsentative Umfragen zeigen, dass Menschen Organisationen mehr vertrauen, die auf Fachsprache verzichten.

Das Vermeiden abstrakter Ausdrücke wie „Freisetzungsmaßnahmen“ für etwas so Eindeutiges wie „Entlassungen“ erhöht die Transparenz und stärkt das Vertrauen im Team. Durch verständliche Sprache werden komplexe Vorgänge klar und nachvollziehbar. So können alle Teammitglieder diese Informa­tionen leichter verstehen und anwenden.

Technische Dokumenta­tionen und Handbücher

Dokumentationen sind meistens darauf ausgerichtet, ein Zertifikat zu erhalten, etwa zur ISO 9001. Leider ist dadurch die Sprache dieser Dokumente – zum Beispiel zur Qualitätssicherung – für Nicht-Experten kaum noch zu verstehen. Dieses Problem beschreibt der TÜV Rheinland in einem Artikel und empfiehlt spezialisierte KI-Tools als Lösung für verständliche Sprache.

Während solche Tools Mitarbeitern helfen können, komplexe Informationen leichter zu erfassen, wäre es wünschenswert, wenn bereits die Autoren von Dokumentationen auf Fachsprache verzichten. Einen Nachteil bei der Zertifizierung haben Behörden nicht zu erwarten; selbst Experten schätzen eine klare, einfache Sprache, wie Studien belegen.

Software-Entwicklung und IT

Fachabteilungen sollten IT-Themen so erklären, dass auch Laien sie begreifen. In Fachbegriffen sprechen Experten und Anwender aneinander vorbei. Mit einer klaren Sprache verbessert sich die Kommunikation zwischen Experten und anderen Beteiligten. Auch Anforderungen an die IT werden dadurch klarer, und neue Lösungen treffen ihr Ziel besser.

Einarbeitung

Laut einer Umfrage von Softgarden kündigen 18 Prozent der Mitarbeiter wegen schlechter Einarbeitung bereits in den ersten 100 Tagen. Vor allem neue Mitarbeiter profitieren von eingängigen, verständlichen Informationen – besonders im Home Office, wo nicht immer ein erfahrener Kollege erreichbar ist. Neue Teammitglieder brauchen zudem viel Zeit, um sich mit dem spezifischen Jargon eines Projekts vertraut zu machen. Das kann die Einarbeitungszeit unnötig verlängern und die ­Effizienz neuer Mitarbeiter verringern. Durch Informationen und Schulungen in allgemein verständlicher Sprache können neue Teammitglieder schneller eigenständig arbeiten.

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Handlungstipps

So verwurzeln Sie klare Sprache in Ihrer Organisation:

  • Schulungen: Regelmäßige Schulungen und Workshops schärfen das Bewusstsein für die Bedeutung verständlicher Kommunikation und vermitteln praktische Fähigkeiten.
  • Klare Richtlinien: Jede Organisation braucht Richtlinien, die den Einsatz von Fachjargon begrenzen und die Verwendung klarer, verständlicher Sprache fördern. Das unterstützt die Konsistenz über alle Kommunikationskanäle hinweg. Zum Beispiel können Abteilungen eine Liste mit häufig verwendeten, schwer verständlichen Begriffen pflegen und darin besser verständliche Alternativen festlegen.
  • Tools: Beim Sichern von sprachlicher Qualität führt auf Dauer kein Weg an Software vorbei. ­Online-Tools zur Textanalyse wie „TextLab“ oder „Wortliga“ helfen, die Verständlichkeit eines Textes objektiv zu bewerten. KI-Anwendungen wie „DeepL Write“ oder „LanguageTool“ helfen Mitarbeitern, Texte korrekt zu formulieren. Das KI-Tool „Plain“ von Wortliga übersetzt komplizierte Texte in verständliche Sprache. Letzteres empfiehlt auch der TÜV Rheinland in seinem Artikel über komplizierte Dokumentationen – denn viele Experten können nur noch in Fachbegriffen über ihre Themen schreiben und sprechen. Tools helfen gegen die Betriebsblindheit.

Eine klare und einfache Kommunikation verbessert das dezentrale Arbeiten, weit über Barrierefreiheit hinaus. Sie vermeidet Missverständnisse und bezieht alle Mitarbeiter ein. Sie verbindet und gleicht den fehlenden menschlichen Kontakt aus.

Wenn Organisationen leicht verständliche Sprache nutzen, arbeiten sie effizienter. Sie schaffen eine­ ortsunabhängige positive Arbeitskultur und fördern die Zufriedenheit von Mitarbeitern.

Dieser Beitrag stammt ursprünglich von unserem Partnerportal eGovernment.de.

* Über den Autor
Gidon Wagner ist Journalist, Dozent und Experte für verständliche Sprache. Er ist Gründer und Geschäftsführer des Software-Herstellers Wortliga. Die Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. empfiehlt das Wortliga-Tool für bürgerfreundliche Texte und verständliche Verwaltungssprache.

Bildquelle: Wortliga

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