Rummel um die digital transformierte Geschäftswelt Die CEBIT 2018 verordnet sich Coolness

Von M.A. Dirk Srocke Dirk Srocke

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Nicht minder experimentierfreudig und wandlungsfähig als die Macher der CEBIT 2018 gaben sich auch die Aussteller in Hannover. Neben neuen Geschäftsfeldern präsentierten die Anbieter in Hannover dabei vorläufige Prototypen und Machbarkeitsstudien.

Die CEBIT 2018 ist immer noch eine IT-Messe – Festival und verordnete Coolness wirken teilweise etwas aufgesetzt.
Die CEBIT 2018 ist immer noch eine IT-Messe – Festival und verordnete Coolness wirken teilweise etwas aufgesetzt.
(Bild: Srocke)

Mit einem 60 Meter hohen Riesenrad hat SAP nicht nur für den weithin sichtbaren Hingucker auf der CEBIT 2018 gesorgt, sondern zugleich den Anspruch der neu konzeptionierten Veranstaltung adaptiert. Wurde die IT-Messe bislang im kühlen März abgehalten, öffnete die CEBIT ihre Pforten nun im Juni und präsentierte ihr Logo auf sonnig gelbem Hintergrund mit dem Zusatz „Europe's Business Festival for Innovation and Digitalization“; zur eigentlichen Ausstellung (d!conomy & d!tec) gesellten sich dem entsprechend Konferenzprogramm (d!talk) sowie Rummelatmosphäre undFestivalfeeling mit Bands auf großer Bühne (d!campus).

IoT und Blockchain

Und so diente auch SAPs Fahrgeschäft nicht nur der Zerstreuung, sondern ebenso als realer Showcase für einen „Digitalen Zwilling“ – soll heißen: Einer virtuellen, realitätsnahen Kopie des Riesenrades, das alle relevanten Informationen des Originals abbildet, darunter technische Modelldaten, Ersatz- und Verschleißteile und Dokumente aller Art. Mit den „SAP Cloud Platform Blockchain Services“ zeigte der Anbieter zudem einen weiteren Ansatz, um virtuelle und reale Welt zu koppeln. Konkret konnten sich Interessenten dabei anschauen, wie sich Lieferketten per Hyperledger abbilden lassen – beispielsweise der Weg vom Anbau einer Ananas bis zum fertig abgefüllten Smoothie im Supermarkt.

Mit Blockchains experimentierte auch DXC Technology und zeigte einen barkeependen Roboter, der nicht nur mit dem durstigen Gast ein Smart Contract abschließt. Je nach Bestellung musste die Maschine auch Abmachungen mit verschiedenen Getränkespendern treffen – bedient hat sich der Blechkamerad dann aber doch noch selbst an den entsprechenden Zapfhähnen. Bemerkenswerterweise setzte DXC diesmal auf eine Blockchain auf Basis der evan.network-Plattform, bei der Hannover Messe hatte man noch das IOTA-Tangle genutzt.

Dennoch war auch IOTA auf der CEBIT 2018 vertreten und etwa am Stand von Volkswagen zu finden. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie griffen die Autobauer dabei auf die Technologie des gerichteten azyklischen Graphen zurück, um die Integrität drahtlos übermittelter Firmware-Updates sicherzustellen. Zudem präsentierten die Wolfsburger ihren vollautonom fahrenden Technologieträger SEDRIC Active sowie ihr Bestreben, künftige Fahrzeuge auch mit Hilfe des derzeit noch experimentellen Quanten-Computings zu entwickeln.

Digitalisierung und neue Geschäftsfelder

Generell verdeutlichte der Themenbereich „Future Mobilty“ in Halle 25, wie sehr traditionelle Geschäftsfelder und Digitalisierung zusammenwachsen. So hätte man das Elektroauto-Startup e.GO Mobile AG bislang wohl eher auf einer Automesse vermutet. Die Deutsche Bahn beschrieb, mit welchen digitalen Ansätzen man die Fahrgastzahlen bis 2030 verdoppeln könne, ohne neue Gleise verlegen zu müssen. Zu sehen waren neben einem Regionalzug der Zukunft auch eine leuchtende Bahnsteigkante, die Passagiere mit LED-Lichtern zu Türen und freien Sitzplätzen leitet.

Einen Wandel vom reinen Autobauer zum Mobilitätsanbieter durchlebt derzeit auch der PSA-Konzern. Per Cloudanbindung will das Unternehmen Datenprofile von Fahrzeugen und Personen erstellen und so neue Services anbieten – Autos beispielsweise direkt per App vermieten. Hierbei setzt der Hersteller auf die global verfügbare OceanConnect IoV Platform, die Huawei zur CEBIT offiziell vorgestellt hat.

Selbst IT-Unternehmen bleiben vom Wandel nicht verschont. So versteht sich Chiphersteller Intel nicht mehr als PC-zentrischer Anbieter, sondern als datenzentrisches Unternehmen. Dem entsprechend lagen die Messeschwerpunkte auf künstlicher Intelligenz und der Zusammenarbeit mit dem Entwickler des fliegenden Taxis Volocopter. Zum Abschluss der Messetage setzte sich Intel überdies mit einer Flugschau von 300 beleuchteten Drohnen am nächtlichen Himmel ins rechte Licht.

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DSGVO zwischen Marketing und Zertifizierung

Viel diskutiert wurde in Hannover freilich auch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) samt technischer Schwierigkeiten bei der Umsetzung; einmal auf WORM-Medien oder Blockchain gespeicherte Einträge lassen sich – wenn überhaupt – nur mit technischen Klimmzügen wieder „vergessen“.

Die an mancherlei Stand anzutreffenden Marketingversprechen sind auf jeden Fall mit Vorsicht zu genießen, glaubt M.Sc. Sebastian Lins vom Karlsruhe Institute of Technology (KIT) und betont: „'DSGVO-ready' ist keine verlässliche Aussage, die sie für eine Auseinandersetzung mit einer Datenschutzbehörde heranziehen können.“

Um sich einer solchen Aussage zu nähern, forscht Lins gemeinsam mit seinem Kollegen M.Sc. Heiner Teigeler an der „European Cloud Service Data Protection Certification (AUDITOR)“. Auf der CEBIT 2018 konnten die Forscher ihren AUDITOR-Kriterienkatalog in der Entwurfsfassung 0.7 vorstellen.

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Insbesondere im Cloud-Kontext werde die DSGVO Nutzer und Anbieter noch auf Jahre oder Jahrzehnte beschäftigen, mutmaßten Orange und Deutsche Telekom in einem gemeinsamen Pressegespräch, das von Netzwerkausrüster Huawei moderiert wurde. Nichtsdestotrotz präsentierten sich die Provider als vertrauenswürdige und etablierte Anbieter im europäischen Markt. Gemäß Trusted Cloud Data Protection Profile (TCDP) zertifiziert biete die Open Telekom Cloud etwa eine sichere Grundlage die Anforderungen der DSGVO.

Musik und Stimmungsbild

Als Kontrapunkt zu den ernsteren Messethemen luden Food Trucks, Standwelle, Bällebad und weitere Attraktionen bereits tagsüber zur Entspannung ein. Spätestens mit namhaften Bands und günstigen Abendtickets zu 15 Euro sprach die Messe dann aber auch jüngeres Publikum an, provozierte aber gleichermaßen ein paar ungewollt steife Momente – etwa als der Bühnenansager Anzugträger zum Ablegen ihrer Krawatten aufforderte oder Mando Diao dem Publikum als zielgruppengerechte Band vorstellte. Auch die jüngere Zielgruppe war wohl nicht immer ganz CEBIT-kompatibel und wunderte sich mitunter, dass die spätabendliche Drohnenshow von Intel gesteuert wurde.

Freie Zimmer, ausgebuchter Take-off Monday

Die Organisatoren werteten die CEBIT 2018 in ersten Reaktionen als Erfolg. „Leute in Liegestühlen, viele junge Menschen und knallharte Businessgespräche - das Konzept geht auf. Die CEBIT ist das Businessfestival für die Digitalisierung und Innovation.“ – freut sich etwa Pressesprecher Hartwig von Saß im Video „CEBIT Daily BIT #2“, das am 12. Juni veröffentlicht wurde. Auch die Vorträge des CEBIT Take-off Monday waren bereits im Vorfeld ausgebucht.

Unsere subjektiv in Hannover gesammelten Eindrücke ergaben Anfang der Woche eher ein diffuses Bild: Als überfüllt konnte man die weitläufige Messe tagsüber nicht bezeichnen. Abends füllten Menschen den Platz vor der Bühne am d!campus zwar, genug Raum zum Tanzen blieb im Pulk trotzdem. Berichten zufolge konnten in der Innenstadt noch kurzfristig Hotelzimmer gebucht werden. Laut Rezeption war unser Hotel dagegen weitgehend ausgebucht und selbstbewusst genug, stattliche Messeaufschläge aufzurufen: Ist die Nacht regulär ab 79 Euro zu haben, waren es zur CEBIT 350 Euro und mehr.

Wenngleich insgesamt weniger Besucher als in den Vorjahren erwartet werden, scheint die Zukunft der Messe allerdings vorerst gesichert: Wie Hartwig von Saß im Gespräch mit FAZ.NET bestätigt, findet auch vom 24. bis 28. Juni 2019 wieder eine CEBIT in Hannover statt.

Transparenzhinweis

Der Autor wurde von Huawei zur CEBIT 2018 eingeladen; der Hersteller übernahm die Kosten für Reise und Unterkunft.

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