Green Coding: Softwareentwicklung umweltbewusst Denken Nachhaltig Programmieren für die digitale Zukunft

Von Marcel Russ * 5 min Lesedauer

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Bis zu 12 Prozent des globalen Strombedarfs werden mittlerweile von digitalen Geräten und Diensten beansprucht. Diese fortschreitende Entwicklung unterstreicht die dringende Notwendigkeit, umweltbewusstes Denken auch in die Softwareentwicklung zu integrieren.

Nachhaltigkeit ist das Gebot der Stunde: das gilt auch für die moderne Softwareentwicklung. Wie Green Coding im Cloud-Zeitalter funktionieren kann, erklärt Marcel Russ von Exxeta im Beitrag.
Nachhaltigkeit ist das Gebot der Stunde: das gilt auch für die moderne Softwareentwicklung. Wie Green Coding im Cloud-Zeitalter funktionieren kann, erklärt Marcel Russ von Exxeta im Beitrag.
(Bild: © metamorworks - stock.adobe.com)

Hier kommt das Konzept des „Green Codings“ ins Spiel: Green Coding verfolgt das Ziel, Software so zu gestalten, dass sie mit minimalem Energieverbrauch maximale Leistung erbringt. Dies beinhaltet etwa die Auswahl effizienter Algorithmen, die Optimierung von Code und die bewusste Entscheidung für ressourcenschonende Technologien. Es geht darum, den ökologischen Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus einer Software, von der Entwicklung über den Betrieb bis hin zur Entsorgung, zu verkleinern – und gleichzeitig hocheffiziente und leistungsstarke Produkte zu entwickeln.

Mehr als nur schlanker Code: Green Coding als ganzheitlicher Ansatz

Die Prinzipien des Green Codings sind mehr als punktuelle Verbesserungen, sie verfolgen eine ganzheitliche Herangehensweise in der Softwareentwicklung und -wartung. Zunächst steht die Anpassung der Anwendungsarchitektur im Vordergrund. Eine modularisierte und skalierbare Architektur kann den Energieverbrauch deutlich reduzieren, indem sie unnötige Prozesse eliminiert und die Systemressourcen optimal nutzt. Weiterhin ist die Auswahl effizienter Algorithmen von zentraler Bedeutung. Denn ein gut gewählter Algorithmus kann den Unterschied zwischen einem energieintensiven und einem energieeffizienten Prozess ausmachen.

Ein häufig zitiertes Beispiel für besonders energieintensive digitale Prozesse ist der Proof-of-Work-Mechanismus, mit dem Transaktionen im Bitcoin-Netzwerk bestätigt werden. Zur Zeit des Schreibens beläuft sich der jährliche Energiebedarf von Bitcoin auf rund 114.87 TWh – vergleichbar etwa mit dem Jahresbedarf der Niederlande.

Andere Krypto-Netzwerke verwenden energieeffizientere Verfahren wie Proof of Stake, bei dem nicht die Rechenleistung der Netzwerkteilnehmenden, sondern das im Netzwerk hinterlegte Kapital darüber bestimmt, wer die Blockchain fortschreibt. So konnte die Smart-Contract-Plattform Ethereum seinen Energiebedarf durch den Umstieg auf Proof of Stake um über 99 Prozent senken. Allerdings muss erwähnt werden, dass es auch zahlreiche Ansätze dafür gibt, Bitcoins Proof-of-Work in einen grünen Kontext zu integrieren – etwa als Verwendung für Energieüberschüsse aus erneuerbaren Quellen.

Grüne DevOps

Die bewusste Entscheidung für ressourcenschonende Technologien und Tools spielt beim Green Coding eine fundamentale Rolle. Doch auch die DevOps-Praktiken haben maßgeblich Einfluss darauf, wie „grün“ eine Software letztlich ist. Beispielsweise kann durch die Reduzierung der Größe von Docker-Containern der Energieverbrauch minimiert und Software nachhaltiger designt werden. Bei der Entwicklung helfen Überwachungstools, die den Energieverbrauch während des Testens und der Integration messen. Dies ermöglicht die frühzeitige Identifizierung von Bereichen, in denen Optimierungen möglich sind. Im Betrieb tragen indes die Automatisierung und Echtzeitüberwachung dazu bei, Systeme bei Nichtgebrauch in einen energiesparenden Modus zu versetzen oder sogar herunterzufahren. Dies reduziert nicht nur den Energieverbrauch, sondern verlängert auch die Lebensdauer der Hardware.

Bedeutung der Programmiersprache

Die Auswahl der Programmiersprache kann ebenfalls einen starken Einfluss auf die Energieeffizienz einer Anwendung nehmen. Jede Sprache hat schließlich ihre eigenen Stärken, Schwächen und Optimierungsmöglichkeiten. Während Hochsprachen wie Python oder Ruby für ihre Entwickler:innenfreundlichkeit und schnelle Prototypenerstellung geschätzt werden, können sie in Bezug auf die Ausführungsgeschwindigkeit und den Ressourcenverbrauch weniger effizient sein als eine Low-Level-Sprache.

Ein Beispiel ist die Verwendung von C oder C++ für rechenintensive Anwendungen: Da diese Sprachen näher an der Hardwareebene arbeiten, können sie spezifische Operationen häufig schneller und mit weniger Ressourcenverbrauch durchführen als beispielsweise Python. Die andere Seite der Medaille: Die Optimierung von Code in diesen Sprachen erfordert eben auch ein tieferes Fachwissen, um die bestmögliche Effizienz zu erzielen.

Vorbilder in der Tech-Industrie: Große Player setzen Maßstäbe

Tech-Giganten wie Google, Apple und Microsoft haben mittlerweile die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Energieeffizienz anerkannt. Sie haben nicht nur umfangreiche grüne Initiativen eingeführt, sondern auch Technologien und Praktiken entwickelt, die den Energieverbrauch ihrer Produkte und Dienstleistungen minimieren. Google beispielsweise verwendet fortschrittliche KI-Algorithmen, um den Energieverbrauch in seinen Rechenzentren zu optimieren. Apple legt Wert auf die Energieeffizienz seiner Geräte und hat sich zum Ziel gesetzt, in all seinen Betrieben und Lieferketten CO₂-neutral zu sein.

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In einer Zeit, in der die Digitalisierung in nahezu jeden Aspekt unseres Lebens eindringt, wird die Energieeffizienz von Software zu einem zentralen Anliegen.

Marcel Russ, Manager im Bereich Enterprise Modernisation bei Exxeta

Microsoft zeigt sich noch ambitionierter und will bis 2030 kohlenstoffnegativ werden und bis 20250 der Umwelt sogar den ganzen Kohlenstoff entziehen, den sie seit ihrer Gründung 1975 ausgestoßen haben. Derweil hat sich Amazon Web Services dem Ziel verschrieben, bis 2025 vollständig auf erneuerbare Energien umzusteigen. Diese Ambitionen sind richtig und wichtig – schließlich ist das Gros der digitalen Dienste auf die Infrastruktur der Tech-Giganten angewiesen.

Green Coding in Deutschland: Ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der IT

In Deutschland, einem Land, das für seine Ingenieurskunst und technologische Innovationskraft bekannt ist, steckt das Konzept des Green Codings indessen noch in den Kinderschuhen. Dennoch gibt es ein wachsendes Bewusstsein für die Notwendigkeit, Nachhaltigkeit bei der Softwareentwicklung mitzudenken.

Deutlich wird dies sowohl durch die steigende Anzahl von Start-ups und Unternehmen, die sich auf grüne Technologien spezialisieren, als auch durch eine wachsende Zahl an Bildungseinrichtungen, die Kurse und Schulungen zum Thema Green Coding anbieten. Einige deutsche Unternehmen haben zudem bereits begonnen, Green Coding-Prinzipien in ihre Entwicklungsprozesse zu integrieren. Begleitend dazu gibt es Initiativen, die darauf abzielen, Best Practices in diesem Bereich zu etablieren und zu fördern.

Bei allem Grund zum Optimismus gibt es allerdings auch noch einige Herausforderungen. Zum einen fehlen klare Richtlinien und Standards für Green Coding. Während es in anderen Branchen klare Zertifizierungen und Benchmarks für Nachhaltigkeit gibt, muss die Softwarebranche noch einen konsistenten Rahmen für die Bewertung der Energieeffizienz von Anwendungen entwickeln. Immerhin: In Deutschland können sich Unternehmen mit dem „Blauen Engel für ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte“ freiwillig bestätigen lassen, dass ihre Softwareprodukte sowohl ressourcenschonend und energieeffizient sind als auch auf älterer Hardware laufen und langfristig aktualisiert werden können. Eine EU-weite Regelung sucht man bislang indes vergebens.

Fazit: Green Coding – ein Imperativ für die digitale Zukunft

In einer Zeit, in der die Digitalisierung in nahezu jeden Aspekt unseres Lebens eindringt, wird die Energieeffizienz von Software zu einem zentralen Anliegen. Green Coding ist dabei nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch eine ethische Verpflichtung für alle, die in der Softwareentwicklung tätig sind. Während große Tech-Unternehmen vorpreschen und zeigen, dass Wirtschaftlichkeit und ökologische Verantwortung Hand in Hand gehen können, gibt es in der Breite noch viel zu tun.

Insbesondere für Deutschland, wo das Bewusstsein für Green Coding wächst, besteht das Potenzial, eine Vorreiterrolle in der nachhaltigen Softwareentwicklung zu übernehmen. Letztlich ist Green Coding eine Investition in die Zukunft – eine Investition, die nicht nur den Planeten schützt, sondern auch zu besseren Softwarelösungen führt.

* Über den Autor
Marcel Russ arbeitet seit 2022 als Manager im Bereich Enterprise Modernisation bei Exxeta, einem Technologie- und Beratungsunternehmen. Er unterstützt mit seinem Team Kunden dabei, mit effizienterer Software und agilen Vorgehensmodellen ihre IT zu modernisieren. Immer im Fokus die Frage: Wie können Unternehmen durch bewusste Veränderungen und den Einsatz moderner Tools nicht nur effizienter, sondern auch nachhaltiger werden?

Marcel hat seine Karriere als freiberuflicher App Entwickler bereits während seines Studiums gestartet und später in Beratungsunternehmen gearbeitet. Bevor er zu Exxeta kam, war Marcel Russ Team Lead bei Hugo Boss mit Fokus auf Web & Mobile Apps sowie agilen Arbeitsmethoden. Marcel Russ ist Diplom-Informatiker und hat Software Engineering an der Universität Stuttgart studiert.

Bildquelle: Exxeta

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