Interview mit Michael Hunger im Nachgang der NODES-Developer-Konferent „Je höher das KI-Tempo, desto wichtiger wird der Austausch“

Von Stephan Augsten 5 min Lesedauer

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Ende Oktober lud Graphdatenbank-Experte Neo4j zur Online-Konferenz NODES ein und brachte über 3.300 Entwickler an die Bildschirme – wenn sie nicht ohnehin schon dahinter saßen. Im Interview ging Michael Hunger von Neo4j auf die beliebtesten Developer-Themen und die Roadmap seines Unternehmens ein.

Wie Graphdatenbanken selbst ist Neo4j auch mit der Developer Community vernetzt, passend dazu der Event-Name NODES.
Wie Graphdatenbanken selbst ist Neo4j auch mit der Developer Community vernetzt, passend dazu der Event-Name NODES.
(Bild: Gerd Altmann / Pixabay)

Dev-Insider: Die NODES fand in diesem Jahr zum fünften Mal statt, via Live-Streams und über mehrere Zeitzonen hinweg. Wie kamt ihr auf dieses Format?

Michael Hunger: Die NODES ist für uns ein echtes Highlight. Es gibt kaum eine andere Gelegenheit, um sich so unmittelbar mit so vielen Neo4j-Anwendern und Graph-Experten auf Augenhöhe auszutauschen. Neo4j kommt ja aus der Open-Source-Szene und hat eine starke Community mit weltweit über 250.000 Mitgliedern. Da steckt viel spannendes und vielfältiges Entwickler-Know-how und Graph-Potenzial drin, das auf der NODES live erlebbar wird.

Bei unserem ersten Event lagen die Anmeldezahlen noch bei gut 2.000, in diesem Jahr waren es über 10.000 Anmeldungen. Dass die Teilnehmer und Vortragenden aus der ganzen Welt kommen, ist, glaube ich, ein wichtiger Aspekt. In den ersten Jahren konzentrierte sich der Teilnehmer-Pool vor allem auf Nordamerika und Europa. Mittlerweile sind wir aber ein globales Event. Der 24-stündige Live-Stream bedeutet, dass wirklich jeder teilnehmen kann.

Vor allem aber: Es geht bei NODES um praktische Anwendungsfälle und Hands-On-Sessions und nicht um Marketingbotschaften oder Kundengewinnung. „No fluff – just stuff“ wie unser CEO Emil Eifrem das Event einmal beschrieben hat. Man lernt neue Sachen oder kann einfach Fragen stellen, für die man sonst gegebenenfalls keinen Sparring-Partner hat.

Dev-Insider: Mit Blick auf die diesjährige Agenda, welche Themen bewegen die Entwickler derzeit?

Hunger: Insgesamt gab es drei Tracks auf der NODES: Intelligente Anwendungen, Machine Learning und KI sowie Visualisierung. Das zeigt eigentlich ganz gut, was momentan die Gesprächsthemen Nummer Eins bei Entwicklern, Datenwissenschaftlern und Datenarchitekten sind.

Technische Aspekte und Best Practices für das Arbeiten mit Graphdatenbanken stehen dabei im Vordergrund. Wie kann ich schneller graphbasierte-Anwendungen entwickeln? Wie lassen sich bestimmte Schritte vereinfachen? Was lässt sich wie mit welchen Tools umsetzen? Hier dreht sich sehr viel um Developer Experience, Visualisierungen, das Tooling rund um die Graphdatenbank und die Integrationen mit anderen Daten-Systemen.

Grundsätzlich sehen wir einen Shift, was die Anwender von Graphdatenbanken angeht. Das sind längst nicht mehr nur die Graph-Enthusiasten und die Alpha-User der ersten Stunde. Neo4j ist mittlerweile in der Cloud verfügbar, wir bauen kontinuierlich Self-Service-Tools und AI-Integrationen aus und die Graph Academy bietet umfassendes Training für jedes Level an. Das heißt, das Spektrum an Anwender, die die Neo4j-Graphdatenbank heute nutzen, ist in die Breite gewachsen. Damit sind auch die Erwartungen an die Lösung und das Ecosystem gestiegen. Und das spiegelte sich in der Agenda von NODES deutlich wider.

Dev-Insider: Generative AI ist ja das Thema schlechthin in diesem Jahr, wie steht es aus Entwickler-Sicht um das Thema KI?

Hunger: Das Thema ist allgegenwärtig. Entwickler experimentieren mit GenAI, LLMs, RAG (Retrieval Augmented Generation), GNNs (Graph Neural Networks), nutzen Vektorsuche, Graph Embeddings und Graph-Algorithmen und bauen mit und rund um Neo4j an ihrem KI-Stack. Momentan boomt der Markt rund um KI/ML-Tools, Frameworks, Bibliotheken und Diensten.

Die Entwicklung läuft exponentiell so schnell ab, dass es schwierig ist, überhaupt auf dem neuesten Stand zu bleiben. Für Entwickler ist es daher extrem hilfreich, sich innerhalb der Community über die besten Ansätze, Lösungen und Best Practices auszutauschen.

Einen Vortrag, den ich in dem Zusammenhang besonders spannend fand, war der LLM Chatbot, den Tomaz Bratanic auf Basis eines Knowledge Graphen entwickelte und der das Problem von KI-Halluzinationen adressiert.

Dev-Insider: Wo liegen momentan die häufigsten Use Cases für Graph-Anwendungen?

Hunger: Pauschal lässt sich das schwer sagen. Was wir aber bei NODES gesehen haben ist, dass der Bereich Life Science, Pharma und Gesundheitswesen in den letzten Jahren massiv zugelegt hat. Die Medizinforschung hat schon lange ein „Datenproblem“. Mit Graph Data Science und Knowledge Graphen lässt sich dieses Problem lösen, oder sagen wir einmal: effektiver angehen.

Entsprechend vielfältig waren auch die Vorträge dieses Jahr, von der medizinischen Forschung in der Krebsforschung bis hin zum Digitalen Zwilling, der als Assistenzarzt bei der Diagnose hilft. Der deutsche Entwickler Sebastian Lobentanzer stellte zum Beispiel das Entwickler-Framework BioCypher vor, das es ermöglicht, biomedizinische Knowledge Graphen in relativ kurzer Zeit zu erstellen. Im Normalfall kann das Monate oder Jahre dauern.

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Dev-Insider: Was gibt es bei Neo4j selbst Neues rund um die Graphdatenbank?

Hunger: Um operative wie analytische Workloads performanter zu verarbeiten, wurde unter anderem die Parallel Runtime eingeführt. Analytische Abfragen laufen nun gleichzeitig und effizient über mehrere CPU-Kerne. Das ermöglicht eine bis zu 100-mal höhere Ausführungsgeschwindigkeit und ein hochskalierbares, ressourcenschonendes und nahtloses Multitasking.

Mit integrierter Change Data Capture (CDC) können Anwender Änderungen detailliert nachverfolgen, während Dritt-Systeme und Services, die auf diese Änderungen reagieren müssen, automatisch entsprechende Benachrichtigungen erhalten. CDC ist sowohl im Neo4j Connector for Kafka als auch Confluent integriert.

Ebenfalls neu sind Kanten-Embeddings, die beispielsweise fehlende Datenverbindungen identifizieren oder zukünftige Datenbeziehungen prognostizieren. Und schließlich gibt es neue Algorithmen für die Pfadsuche, um die bestmögliche Sequenz sowie den relevantesten Pfad zwischen einzelnen Knoten zu bestimmen.

Dev-Insider: Welche Neuerungen stehen für die Graphdatenbank im kommenden Jahr an?

Hunger: Für 2024 sind weitere Verbesserungen in der Graphdatenbank, aber auch bei den Self-Service-Tools geplant. Zudem wird der Import aus verschiedenen relationalen Datenbanken und Cloud-Systemen vereinfacht und es wird eine neue Graph-Visualisierungsbibliothek und verbesserte Visual-Studio-Code-Erweiterungen geben. Auch die Cloud-Integrationen werden wir weiter ausbauen. Und schließlich arbeitet Neo4j kontinuierlich am Ausbau seines GenAI-Ecosystems.

In den letzten Monaten zählten dazu die Vektorsuche für semantische Suchanwendungen, die Echtzeit-Integration von Cypher, die Integration in LLM-Plattformen von Google Cloud Vertex AI und der GenAI-Stack für Entwickler. Im nächsten Jahr steht eine verbesserte Text-zu-Cypher Unterstützung an, die die Entwicklung im Neo4j-Browser, Bloom, NeoDash und auch VS Code vereinfachen wird. Wir wollen auch LLM-Plattformen besser in die Datenbank integrieren und die Vektorsuche noch effizienter gestalten.

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<span><b>* Über den Interviewpartner</b><br>

Michael Hunger ist Head of Product Innovation & Developer Product Strategy bei Neo4j, und beschäftigt sich seit mehr als 35 Jahren mit Softwareentwicklung. In den vergangenen 13 Jahren hat er an der Open-Source-Graphdatenbank Neo4j in verschiedenen Funktionen gearbeitet, zuletzt als Leiter der Produktinnovation und Entwicklerstrategie. Sein aktueller Fokus liegt auf generativer KI, Cloud-Integrationen und Developer Experience. Michael hat auf zahlreichen Konferenzen vorgetragen und mehrere davon mitorganisiert. Dank seiner Arbeit wurde er in das JavaChampions-Programm aufgenommen. Michael hilft Jugendlichen, das Programmieren zu lernen, indem er wöchentliche Programmierkurse für Mädchen an örtlichen Schulen leitet.

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<p class="inf-text-micro">Bildquelle: Neo4j</p>

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