Integration vonBlockchain-Ökosystemen Herausforderungen der Blockchain-Interoperabilität

Anna Kobylinska und Filipe Pereira Martins

Blockchain-basierte Anwendungen sind in der Unternehmens-IT klar auf dem Vormarsch, doch wo es im jeweiligen Einzelfall lang geht, entscheidet die betreffende Chefetage – vorzugsweise im Stealth-Modus hinter geschlossenen Türen. Das Resultat: Die meisten Blockchain-Lösungen beginnen ihr produktives Dasein meist in völliger Isolation voneinander.

Die fehlende Konnektivität zwischen Blockchain-Netzwerken und der Mangel an Interoperabilität von Blockchains ist eines der wichtigsten Probleme bei deren Nutzung in Unternehmen.
Die fehlende Konnektivität zwischen Blockchain-Netzwerken und der Mangel an Interoperabilität von Blockchains ist eines der wichtigsten Probleme bei deren Nutzung in Unternehmen.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay)

Die fehlende Interoperabilität von Blockchain-Lösungen behindert ihre Adoption im Unternehmensumfeld. Zugegebenermaßen bewähren sich unterschiedliche Blockchain-Architekturen aber auch in sehr verschiedenen Nutzungsszenarien. Zum Beispiel:

  • Allzweckblockchains mit smarten Verträgen auf der Basis von Web Assembly (kurz: Wasm) wie z.B. Edgeware
  • transaktionsoptimierte Blockketten wie das Blink Network
  • Orakel-fähige Blockchains mit Fähigkeiten zum Einbezug externer Datenquellen wie ChainLink
  • Blockchains zur Identitätenvalidierung für den Zugriff auf andere Parachains, z.B. Speckle OS
  • Datei-Storage-Ketten zur Aufbewahrung nicht-personenbezogener Daten, z.B. Filecoin von Protocol Labs,
  • Internet-of-Things-(IoT)-Ketten zur Koordination und Überwachung der M2M-Kommunikation,
  • Finanz-Portfolio-Ketten zur Verwaltung dezentraler Vermögensportfolios in Bitcoin, Ethereum, Bitcoin Cash, Litecoin und Zcash mit Hilfe von zentralen Stellschrauben, einschließlich Chains mit dem POW-Konsensus und dem UTXO-Transaktionsformat, darunter ChainX und Katallassos,
  • Zero-Knowledge-Datenschutzketten oder -brücken zu sogenannten ZK-Snarks-Ketten zum Schutz sensibler Daten.

Die Dezentralisierung zählt zu den Highlights einer Blockchain und spiegelt sich auch indirekt in der Ideenvielfalt wider. Auch einzelne Implementierungen divergieren im Kleingedruckten schon mal bis zur Unkenntlichkeit voneinander. Das halsbrecherische Innovationstempo ging daher bisher mit einer stets wachsenden Marktfragmentierung einher.

Fehlende Fähigkeiten zur Gewährleistung von Konnektivität zwischen Blockchain-Netzwerken und Interoperabilität von Blockchains zählen laut den von PwC befragten Führungskräften zu den wichtigsten Hemmnissen auf dem Weg zur „Blockchainerisierung“ ihrer Unternehmen.
Fehlende Fähigkeiten zur Gewährleistung von Konnektivität zwischen Blockchain-Netzwerken und Interoperabilität von Blockchains zählen laut den von PwC befragten Führungskräften zu den wichtigsten Hemmnissen auf dem Weg zur „Blockchainerisierung“ ihrer Unternehmen.
(Bild: PwC)

Laut den Analysten von PwC zählen fehlende Fähigkeiten zur Gewährleistung von Konnektivität zwischen Blockchain-Netzwerken und der Interoperabilität von Blockchains zu den wichtigsten Hemmnissen auf dem Weg zur „Blockchainerisierung“ von Unternehmen. Die Erkenntnis entstammt einer Umfrage von rund 600 Blockchain-versierten Führungskräften in Unternehmen.

Auf die Dauer ist diese Fragmentierung sicherlich nicht tragfähig. Erst die Verzahnung von Blockchains verschiedener Organisationen und Branchen miteinander kann die Vision der digitalisierten Wirtschaft vervollständigen. In anderen Worten: Blockchains müssen miteinander auf eine sichere Art und Weise kommunizieren können, um Transaktionen durchzuführen, Daten auszutauschen und Werte zu übertragen. In der reibungslosen Interoperabilität von Blockchains schlummern ungekannte Effizienzen.

Nicht-disruptive Interoperabilität

Viele Chefetagen in Unternehmen tragen sich schon länger mit dem Gedanken, gemeinsam mit ihren Lieferanten und/oder Abnehmern die eigene Wertschöpfungskette zu „blockchainerisieren“. Doch die Angst vor der Disruption und vor dem Verlust der Kontrolle über geschäftskritische Daten und/oder Abläufe sitzt tief.

Das Konzept der dezentralisierten Kontrolle von Daten, Geschäftsprozessen und Vermögenswerten stößt in der Praxis zudem auch auf Inkompatibilitäten, Datensilos und Herausforderungen der Datensicherheit.

In ihrem Forschungspapier zur Gefahr der „Blockchain-Balkanisierung“ malen Blockchain-Vordenker von ConsenSys ein düsteres Bild. Das Blockchain-Ökosystem sei derzeit der Gefahr der sogenannten „Balkanisierung“ ausgesetzt, des Zerfalls in eine lose Sammlung isolierter Systeme, die zwar nebeneinander, aber nicht miteinander arbeiten würden.

„Wir würden konfrontiert werden mit einer verstreuten Sammlung von isolierten Blockchain-Silos“, argumentieren die Analysten, die sich stets auf ein jeweils schwaches Netz von Knoten stützen würden und damit der Gefahr von Angriffen, Manipulationen und [ungewollter] Zentralisierung] ausgesetzt wären.“ ConsenSys ist eine global tätige Blockchain-Spezialistin mit Hauptsitz in New York und einer deutschen Niederlassung in Berlin.

Die vollautomatische Transaktionsabwicklung mit Geschäftspartnern – und künftig sicherlich auch mit Steuerbehörden – erfordert die reibungslose Interoperabilität beliebiger Blockchains.

Solange verschiedene Blockchains nicht miteinander interagieren können, ist die Bereitschaft zur verstärkten „Blockchainerisierung“ interner Geschäftsprozesse aus Sicht dezentraler Wirtschaftsakteure eher verhalten. Viele Entscheidungsträger, insbesondere im Mittelstand, sehen nicht genug Anwendungsszenarien für die Blockchain in ihren Unternehmen. Eine kryptografische Datenbank würde für die gegebenen Anwendungsszenarien vollkommen ausreichen. Bei konsortiellen Blockchains sieht es schon anders aus.

Jede Blockchain entsteht erst einmal als eine Dateninsel; das dezentrale System mit der Außenwelt zu verbinden stellt eine massive Herausforderung dar.

Parachains und die Blockchain-übergreifende Anwendungsausführung

Eine Blockchain-Initiative namens Polkadot möchte verschiedene Blockchain-Ökosysteme im Rahmen eines gemeinsamen Sicherheitsframeworks auf der Basis eines gemeinsamen Protokolls unter einen Hut bringen.

Verbunden: Visualisierung des fortschreitenden Aufbaus des Polkadot-Netzwerks (v1) unter Einbezug von ca. 80 Parachains, die an eine gemeinsame Relaychain angeschlossen sind und miteinander dezentralisiert interagieren können.
Verbunden: Visualisierung des fortschreitenden Aufbaus des Polkadot-Netzwerks (v1) unter Einbezug von ca. 80 Parachains, die an eine gemeinsame Relaychain angeschlossen sind und miteinander dezentralisiert interagieren können.
(Bild: Polkadot Network)

Polkadot schafft eine Blockchain-übergreifende Ausführungsumgebung für Anwendungen. Dadurch lässt sich der blockkettenübergreifende Austausch von Daten, Token und anderen Vermögenswerten sogar zwischen privaten, konsortiellen und öffentlichen Blockketten unter Wahrung der Datenhoheit der betreffenden Teilnehmer umsetzen. Eine Anwendung könnte beispielsweise die Kreditwürdigkeit eines Teilnehmers von einer privaten Blockchain seines Finanzinstituts abfragen und das Resultat verwerten, ohne jedoch selbst einen Zugriff auf sensible Daten der privaten Blockkette zu erhalten.

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Das Polkadot-Ökosystem sieht die Entstehung der sogenannten Parachains, also anwendungsfalloptimierter Blockketten für die hochparallele Transaktionsverarbeitung. Diese Blockketten können in hierarchischen Ebenen ineinandergreifen und einen Unterbau für dApps mit deren eigenen dAppchains und eigenen Konsensprotokollen bilden.

Polkadot selbst nutzt ein Konsensusverfahren namens GRANDPA (GHOST-based Recursive Ancestor Deriving Prefix Agreement). Das besondere Highlight ist die nahezu verzögerungsfreie Transaktionsfinalität.

Polkadot selbst versteht sich als eine universelle Relaiskette, die in der Lage sein möchte, Blockchains jeder Couleur im Rahmen eines gemeinsamen, vereinheitlichten Cybersecurity-Frameworks aneinander zu koppeln und miteinander kommunizieren zu lassen.

Anwendungen mit Unterstützung für Polkadot sollen mit jeder der Blockchains aus dem globalen Polkadot-Netzwerk zusammenarbeiten können. Allerdings ist das nicht ganz so billig.

Durch die Gewährleistung der Interoperabilität zwischen verschiedenen Blockchains kann Polkadot eine Menge von Herausforderungen entschärfen. Der Ansatz verbessert die Skalierbarkeit durch die Parallelisierbarkeit von Transaktionen. Mit dem Framework Substrate (www.parity.io/substrate/) sollen zahllose neue Verbesserungen Einzug halten, u.a.:

  • eine schnelle und effiziente Datenbank,
  • ein modularer P2P-Netzwerkstack in libp2p,
  • eine Hot-Swap-fähige Konsensschicht,
  • ein anpassbares Managementsystem von Transaktionswarteschlangen,
  • vielfältige Sammlung von Laufzeitmodulen.

Substrate verfügt über eine Wasm-basierte Smart-Contract-Plattform, die sich sofort einsetzen lässt. Da Substrate auf Wasm zurückgreift, lassen sich smarte Verträge in jeder kompatiblen Sprache erstellen.

Das Konzept der Blockchain-Interoperabilität nach der Vision der Polkadot-Gemeinde via eine Relay-Chain.
Das Konzept der Blockchain-Interoperabilität nach der Vision der Polkadot-Gemeinde via eine Relay-Chain.
(Bild: Polkadot Network)

Polkadot entsteht unter der Obhut der Web3 Foundation, einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in der Stadt Zug im gleichnamigen Kanton in der Schweiz. Zu den Investoren zählen drei Investitionsfonds aus China, die einen ansehnlichen Betrag in zweistelliger Millionenhöhe in das DOT-Token angelegt haben sollen. Ob und welchen Einfluss sie auf die Technologie ausüben können, ist bisher unklar.

Interledger

Um die Integration von Zahlungssystemen ist es weiter besser bestellt als um die Interoperabilität verschiedener Blockchains.

Zum Versenden von Zahlungen zwischen verschiedenen Ledgern könnten Unternehmen unter anderem auf eine Protokollsuite namens Interledger zurückgreifen. Interledger entstand bei Ripple mit dem Ziel, die Interoperabilität mit verschiedenen Blockchain-Ledgers und damit die reibungslose(re) Zahlungsabwicklung zu gewährleisten.

Interledger basiert auf dem Konzept der sogenannten Connectors. Diese leiten Geldpakete wie das Internet Daten über unabhängige Netzwerke. Die offene Architektur und das minimale Overhead sollen die Interoperabilität zwischen beliebigen Wertübertragungssystemen gewährleisten.

Auf Vermittlung via Interledger setzt unter anderem Coil, ein Blockchain-gestütztes System zur Monetarisierung von Web-Inhalten aus der Feder der Coil Technologies aus San Francisco (siehe dazu auch den Bericht „Blockchain-Geschäftsmodelle“). Stefan Thomas, der deutschstämmige Gründer und CEO des Unternehmens, zeichnete zuvor in seiner Rolle als CTO bei Ripple für die Entstehung von Interledger verantwortlich.

Everledger und die universale Blockkette?

Auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos Ende Januar 2020 haben Vertreter der Wirtschaft und Politik unter anderem über die Interoperabilität von Blockchains intensiv beraten.

Das Weltwirtschaftsforum lancierte in einem Pilotprojekt eine universelle Blockchain-Plattform für die Rückverfolgbarkeit der Lieferprozesse. Das Projekt entsteht in Zusammenarbeit mit dem Blockchain-Start-up Everledger, dem International Trade Centre (kurz: ITC) und der Lenzing Group, einem österreichischen Lieferanten von Rohstoffen. Die Plattform soll unter anderem Nachweise über bestimmte Nachhaltigkeitszertifikate führen. In Zukunft dürfte sie unter anderem auch die soziale Struktur der Gesellschaft abbilden können.

Bei der Datensicherung vertraut das Projekt auf Datencenter von den United Nations. Dadurch genießt das Pilotprojekt „Immunität von jeglicher Form des Rechtsprozesses“ gemäß Art. II der Convention On The Privileges And Immunities Of The United Nations. Bei dem Dokument handelt es sich um eine sehr lesenswerte Lektüre, die zum Nachdenken anregt.

Fazit

Die Gewährleistung der reibungslosen Interoperabilität verschiedener Blockketten ist der Heilige Gral der „Blockchainerisierung“ der unternehmenseigenen Datenintelligenz.

Das Prinzip der Dezentralisierung läuft momentan auf Isolierung hinaus. Isolierung vergeudet Effizienzpotenziale. Auf die Dauer ist es sicherlich kein Erfolgsrezept, aber die Angst vor dem Verlust der Kontrolle sitzt tief.

Der Königsweg zur Blockchain-Interoperabilität müsste den Unternehmen erlauben, die Datenhoheit zu behalten, ohne sich auf einer Dateninsel verschanzen zu müssen. Ob sich aber eine universelle Blockchain mit dem Leitbild der dezentralisierten Kontrolle von Daten, Geschäftsprozessen und Vermögenswerten vereinbaren lässt, steht momentan noch auf einem anderen Blatt.

Über die Autoren: Anna Kobylinska und Filipe Pereira Martins arbeiten für McKinley Denali Inc. (USA).

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