Gut beliefert Blockchains in den Versorgungsketten

Von Anna Kobylinska und Filipe Pereira Martin

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Dank der großflächigen „Blockchainerisierung“ der globalen Logistik sollen Warenflüsse die Versorgungsketten bald reibungsloser durchlaufen können. Unzählige Entwicklungsschmieden haben an besagten Lösungen jahrelange fieberhaft gearbeitet. Seit globale Warenlieferungen wiederholt ins Stottern gerieten, steigt der Druck auf die Logistik, die eine oder andere Innovation zu implementieren.

Disruptive Blockchain-Startups sind dabei, mit ihren praxisnahen Innovationen die globalen Versorgungsketten umzukrempeln.
Disruptive Blockchain-Startups sind dabei, mit ihren praxisnahen Innovationen die globalen Versorgungsketten umzukrempeln.
(© enanuchit - stock.adobe.com)

Mit der Blockade des Suezkanals durch das gestrandete Containerschiff „Ever Given“ des Betreibers Evergreen im März rückte für viele Entscheidungsträger in Unternehmen die stark angeschlagene Widerstandsfähigkeit globaler Versorgungsketten plötzlich in den Vordergrund. So Vieles hängt von so wenig ab. Die Autoindustrie braucht Chips aus Taiwan, sonst bleibt die Fertigung stehen. Die Lebensmittelbranche wollte Bestellungen aus Asien pünktlich zu Ostern in den Regalen auslegen. Stattdessen gab es Stau im Meer; zahllose Containerschiffe mussten eine Umleitung um Afrika herum ansteuern.

Eine Lieferkette ist ein komplexes System. Eine kaum überschaubare Vielzahl von Interessenten muss das Zusammenspiel aus Technologie und Know-how reibungslos orchestrieren, damit das Endresultat stimmt: die Vertragsausführung. Lieferanten, Handelsvermittler, Logistikbetreiber, Versicherungsunternehmen und Banken bis hin zu Hafenbehörden und Zollämtern haben alle ihre Hände mal mit im Spiel.

Blockchain gilt derzeit als der wichtigste Hoffnungsträger für mehr Effizienz in der Logistik. Eine verbesserte Koordination, lückenlose Rückverfolgbarkeit und echtzeitnahe Transparenz versprechen im Endeffekt eine verbesserte Versorgung für Industrien und Endverbraucher, die davon abhängen.

Der Markt für Blockchain-gestützte Versorgungsketten soll bis zum Jahre 2027 einen Wert von 6,5 Mrd. US-Dollar überschreiten und im Prognosezeitraum eine rekordverdächtige CAGR von 60 Prozent pro Jahr vorweisen, hat Global Industry Research vorgerechnet.

Frachtbeförderung per Blockchain: RoadLaunch, CargoCoin & Co.

Eine private Blockchain-basierte digitale Frachtmanagement-Plattform namens RoadLaunch ist dabei, die Auslastung in der Logistik auf ein neues Niveau zu heben. RoadLaunch beinhaltet ein intuitives, voll integriertes und einfach zu bedienendes Rundumglücklich-Paket an Management-Features für Frachtbeförderungsdienstleister auf Achse und Schiene.

Das System schafft Flottentransparenz zur Optimierung von Lastabgleich mit den verfügbaren LKW- und Anhängerkapazitäten. Features rund um die Erstellung von Frachtangeboten, das Asset Tracking, die Lieferung und sofortige Abrechnung sparen Zeit und Kosten. RoadLaunch integriert CargoX, Transaktionsplattform für Logistikdokumente, die auf einer öffentlichen Blockchain aufsetzt.

RoadLaunch nutzt die Technologie von CargoX, um das Eigentum an Frachtbriefen und anderen wichtigen Handelsdokumenten über die vertrauenswürdige öffentliche Ethereum-Blockchain unanfechtbar zu übertragen. RoadLaunch selbst nutzt die private Blockchain HyperLedger. Die Echtzeit-Sendungsverfolgung und -Verwaltung mit Hilfe von IoT (Internet-of-Things)-Sensorik, ein eingebautes automatisiertes Angebots-Framework und Tools für digitales Frachtkapazitätsmanagement laufen auf der privaten Blockchain.

Die sogenannten Anchors im Stellar-Ökosystem bilden ein kritisches Bindeglied zwischen dem Krypto-Netzwerk und dem traditionellen Bankensystem.
Die sogenannten Anchors im Stellar-Ökosystem bilden ein kritisches Bindeglied zwischen dem Krypto-Netzwerk und dem traditionellen Bankensystem.
(Bild: Stellar)

Grenzüberschreitende Zahlungen, Abrechnungen, Audits und Abstimmungen runden das Leistungsspektrum ab. Diesen Teil der Funktionalität stellt die finanzielle Smart-Contract- und Wallet-Lösung von FactR auf der Basis von Stellar bereit. Sie verwaltet Multiwährungstransaktionen, erleichtert die Finanzierung von Geschäftskapital, bietet Blockchain-gestützte Vertrauensbildung, Auditing, Reconciliation und automatisierte Workflows.

Bei Stellar handelt es sich um ein quelloffenes, dezentralisiertes Protokoll für den digitalen Umtausch von Krypto-Währungen in Fiatgeld und ein offenes Netzwerk für Überweisungen. Stellar ermöglicht grenzüberschreitende Transaktionen zwischen beliebigen Währungspaaren. Hierzu ging Stellar zahlreiche Kooperationen mit strategischen Partnern, den sogenannten Anchors, ein.

Anchors im Stellar-Ökosystem bilden ein kritisches Bindeglied zwischen dem Krypto-Netzwerk und dem traditionellen Bankensystem; als Partner von Stellar kommen sie in den Genuss einer Vielzahl von viel versprechenden Geschäftsmodellen und Monetarisierungsstrategien von der Erhebung von Einzahlungs-/Abhebungsgebühren über FX-Spread bis hin zur Seigniorage (Geldschöpfungsgewinn) und Transaktionsgebühren.

Das Resultat ist das erste öffentlich verfügbare integrierte Produkt seiner Art in der Logistik, welches die Stärken von öffentlichen und privaten Blockchains in einer einzigen Lösung zusammenführt.

Logistikdienstleister können sich mit ihren vertrauenswürdigen Frachtpartnern verbinden, indem sie Technologie-Integrationen für Ladungstafeln und Luft/See/Boden-Spediteure nutzen. Ein zentrales Dashboard schafft Flottentransparenz, optimiert Ladungen, automatisiert Abläufe, erzeugt die benötigten Dokumente und wickelt das übrige Auftragsmanagement ab.

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Bei CargoCoin geht der halbe Dampf in die Pfeife, sprich: Marketing und Vertrieb: Das Unternehmen hat sich zur Hälfte (genau genommen 55%) über eine ICO finanziert.
Bei CargoCoin geht der halbe Dampf in die Pfeife, sprich: Marketing und Vertrieb: Das Unternehmen hat sich zur Hälfte (genau genommen 55%) über eine ICO finanziert.
(Bild: CargoCoin)

CargoCoin bietet eine weniger umfassende Lösung im Vergleich zu RoadLaunch, aber immerhin. Die Plattform von CargoCoin ersetzt Papierdokumente durch smarte Verträge und sichere Treuhandzahlungen auf Blockchain-Basis, um den physischen Handel, Transport und Logistik an die Blockchain zu koppeln. Die Plattform soll Kosten senken, das Betrugsrisiko mindern, Verzögerungen verhindern, Vertrauen steigern, Informationsflüsse sichern und robuste Archivierung gewährleisten.

Transparenz und Rückverfolgbarkeit: Bonafi und Bitfury

Die Herausforderungen der Rückverfolgbarkeit von Waren durch globale Versorgungsketten und Langstreckenlogistik machen es vielen Unternehmen zu schaffen.

Die Blockchain-Schmiede Bitfury hat mit Exonum eine Lösung zur Absicherung der Waren- und Informationsflüsse für Versorgungsketten im Köcher. Die Plattform soll illegale Datenkorrekturen verhindern, eine transparente Rückverfolgbarkeit und Auditierung von Daten und Waren gewährleisten, Warenfälschungen eliminieren und Korruption erschweren, Risiken mindern und Versicherungskosten reduzieren sowie die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften fördern. Das Unternehmen hat Büros unter anderem in Moskau, Amsterdam und Washington, DC.

Bonafi hat für sich in den globalen Versorgungsketten eine enger umrissene Nische ausgearbeitet: Das kalifornische Blockchain-Startup aus Los Angeles hat sich dem Ziel verschrieben, der Plage von Produktfälschungen ein Ende zu setzen.

Globaler Markt für Produktfälschungen nach Sektor im Jahre 2013.
Globaler Markt für Produktfälschungen nach Sektor im Jahre 2013.
(Bild: PwC)

Der weltweite illegale Markt für Produktfälschungen nähert sich gerade Schätzungen zufolge der dunklen Ziffer von zwei Billionen USD im Jahre 2021, prognostizierte das Analystenhaus ResearchAndMarkets in seinem Bericht vor rund zweieinhalb Jahren. Der illegale Handel mit gefälschten Waren ist ein andauerndes wirtschaftliches Problem für verschiedene Branchen weltweit. Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) schätzt, dass 3,3 Prozent des globalen Handelsvolumens auf Produktfälschungen entfällt.

Die Aktivitäten fügen der Weltwirtschaft einen enormen Schaden zu. Auf der einen Seite bringen sie legitime Hersteller um ihre Umsätze und um den Deckungsbeitrag zur Forschung und Entwicklung; sie reduzieren Skaleneffekte infolge der verringerten Massenproduktion und schmälern das Markenbild durch minderwertige Qualität. Auf der anderen Seite berauben die Fälschungen auch die betroffenen Verbraucher um begehrte Produktfeatures wie die Langlebigkeit ihrer Produkte und erhöhen zum Teil sogar das Unfall- und Verletzungsrisiko.

Crypto-Tags zur Sicherung der Markenidentität von Bonafi begleiten jedes einzelne Produkt durch die Versorgungskette bis zum Endbenutzer.
Crypto-Tags zur Sicherung der Markenidentität von Bonafi begleiten jedes einzelne Produkt durch die Versorgungskette bis zum Endbenutzer.
(Bild: bonafi.io)

Bonafi möchte Händlern und Verbrauchern eine Möglichkeit geben, gegen Marken-Betrug vorzugehen, und macht sich hierzu Blockchain-Technologie zunutze. Das Unternehmen hat mit dem Crypto-Tag eine Lösung im Köcher, die sich in jedes Produkt einbetten und davon auslesen lässt, um die eindeutige Authentifizierung von Gütern in der Versorgungskette narrensicher zu gewährleisten. Während ein einzelner Artikel die Lieferkette von Distributoren, Großhändlern und Einzelhändlern durchläuft, können Sensoren relevante Daten über den Crypto-Tag in der Blockchain erfassen und diese auswerten. Dieser Authentifizierungsprozess schützt die Marke und deren Endbenutzer. Verbraucher wie auch Verkäufer sollen so befähigt werden, die Authentizität von Produkten zu beurteilen. Zu guter Letzt soll es auch möglich sein, jedes einzelne Produkt registrieren zu lassen. Dieser letzte Schritt schafft zum Beispiel Basis für die Durchführung von Kunden­loyalitäts­programmen oder Analysen des Nutzungsverhaltens der Käufer.

Damit die Qualität stimmt

Aufgrund der Blockade des Suezkanals mussten zahlreiche Frachtschiffe um das afrikanische Kontinent einen Bogen ziehen, herunter und wieder herauf quer durch den Äquator. Bei Warengruppen wie beispielsweise Pharmazeutika kann so ein Abstecher leicht nach hinten los gehen.

Frachtcontainer der SkyCell AG überwachen autark die Temperatur der Ware und zeichnen alle relevanten Ereignisse auf der Blockchain auf.
Frachtcontainer der SkyCell AG überwachen autark die Temperatur der Ware und zeichnen alle relevanten Ereignisse auf der Blockchain auf.
(Bild: SkyCell AG)

Die SkyCell AG, ein Unternehmen der Smart Containers Group, hat eine praxiserprobte Lösung auf Blockchain-Basis hierfür im Köcher. SkyCell stellt Unternehmen temperaturkontrollierte Container für die (Luftfracht-)Beförderung von Pharmazeutika und ähnlich sensiblen Waren bereit. Ohne eine durchgängige Temperaturkontrolle würden teilweise bis zu 25 Prozent der sensiblen Lieferungen beim Empfänger unbrauchbar ankommen. In der Lebensmittelindustrie ist der Verschnitt sogar noch höher: zwischen 30 Prozent und 40 Prozent.

Um etwaige Schäden durch die Temperaturschwankungen der konventionellen Transportkette zu minimieren, werden viele Fruchtsorten noch grün geerntet und während der Fracht mit chemischen Mitteln künstlich auf die Schnelle „gereift“. Wenn es nach Richard Ettl ginge, wäre so viel „Nachhilfe“ gar nicht vonnöten.

FoodGuardians, ein Unternehmen der Smart Containers Group, möchte die logistischen Ineffizienzen aus der Lebensmittelversorgungskette ausmerzen. Die „Blockchainerisierung“ der Container-Sensorik senkt die ansonsten erheblichen administrativen Kosten der globalen Nachverfolgung von Fracht für alle relevanten Messwerte.

FoodGuardians stellt nach dem Vorbild der SkyCell AG „blockchainerisierte“ Smart Container u.a. regionalen Fischproduzenten und anderen Lebensmittellieferanten zur Verfügung. Die „IoT-isierten“ Container, an die Blockchain angebunden, überwachen autark die Temperatur der Ware und sind zudem in der Lage, zur weiteren Senkung der Transaktionskosten ihre Leistung dem Lieferanten automatisch in Rechnung zu stellen.

Fazit

Disruptive Blockchain-Startups sind dabei, mit ihren praxisnahen Innovationen die globalen Versorgungsketten umzukrempeln.

Über die Autoren: Anna Kobylinska und Filipe Pereira Martins arbeiten für McKinley Denali Inc. (USA).

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