Erstes Hyperledger Global Forum lockt 700 Besucher nach Basel Blockchain ist reif für die Produktion

Von M.A. Dirk Srocke Dirk Srocke

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Mit produktiven Anwendungen, zwölf neuen Mitgliedern und starker Eigendynamik präsentierte sich das zur Linux Foundation gehörende Kooperationsprojekt Hyperledger vom 12. bis 15. Dezember in Basel – mit dem ersten Hyperledger Global Forum.

Circa 700 Teilnehmer fanden den Weg zum ersten Hyperledger Global Forum nach Basel.
Circa 700 Teilnehmer fanden den Weg zum ersten Hyperledger Global Forum nach Basel.
(Bild: Srocke)

Auf ein sachkundiges Publikum vertraute Brian Behlendorf in seiner Eröffnungsrede zum ersten Hyperledger Global Forum. Dem entsprechend verzichtete der Executive Director von Hyperledger darauf, die etwa 700 Teilnehmer mit technischen Grundlagen zur Blockchain zu langweilen. Stattdessen richtete Behlendorf sein Augenmerk auf die produktiven Einsatzfelder der Software unter dem Dach des 2015 gegründeten Multi-Projekts. Die habe nämlich im Jahr 2018 den Einzug in Produktionsumgebungen gehalten.

Schwerpunkt auf realen Anwendungen

Einige Beispiele: Circulor nutzt eine auf Hyperledger Fabric basierende Blockchain, um die Herkunft von Konflikt-Materialien aus Ruanda in den Griff zu bekommen. NIIT Technologies will mit einer Chain-m genannten Lösung, Ticketing-Prozesse im Flugverkehr optimieren. Das indische MonetaGo will per Blockchain Betrügereien auf dem Finanzmarkt den Garaus machen.

Detailliert berichtete auf der Keynotebühne überdies Leanne Kemp, Gründerin und CEO von Everledger. Das Unternehmen nutzt die Blockchain, um die Authentizität physischer Güter über deren gesamte Lebenszeit hinweg nachvollziehbar zu machen. Eine Motivation hierfür: Edelsteine lassen sich mittlerweile so gut synthetisch herstellen, dass selbst Experten keinen Unterschied mehr zu natürlichen Diamanten erkennen können. Dank der auf Hyperledger Fabric basierenden IBM Blockchain ließe sich nun die Herkunft der Steine nachweisen und per App sogar für Kunden nachvollziehbar darstellen.

Während Everledger Edelsteine anhand forensischer Eigenheiten identifiziert, nutzt ScanTrust fälschungssichere QR-Aufkleber, um die virtuelle Welt der Blockchain mit realen Waren zu verbinden. Als CEO und Gründer des Unternehmens ist sich Nathan Anderson freilich im Klaren darüber, dass die Blockchain allein kein ultimatives Wundermittel ist: Wenngleich Lieferketten mit der Technik vertrauenswürdiger und zuverlässiger auditierbar würden, könne es keine hundertprozentige Garantie dafür geben, dass die ursprünglichen Daten stimmen.

Neue Partner, Projekte und Zertifizierungen

Neben einer wachsenden Adaption vermeldete Behlendorf auch Fortschritte bei Hyperledger selbst. So sei Zahl der Mitglieder auf über 260 gestiegen, zu den zwölf in Basel präsentierten Neuzugängen gehören Alibaba Cloud, BlockDao (Hangzhou) Information Technology, Citi, Deutsche Telekom, Guangzhishu (Beijing) Technology Co., Ltd, Guangzhou Technology Innovation Space Information Technology Co., Ltd, KEB Hana Bank, HealthVerity, MediConCen, Techrock (formerly Walimai), we.trade und Xooa.

Als neues Projekt präsentiert wurde Hyperledger Ursa, eine gemeinsame Krypto-Bibliothek die künftig gemeinsam von allen Hyperledger-Projekten genutzt werden könne. Ähnlich wie Ursa könnten künftig auch noch weitere Komponenten in gemeinsame Bibliotheken überführt werden, deutete Behlendorf an.

Noch ganz ohne Namen musste ein an Supply Chains gerichtetes Projekt auskommen: Basierend auf bereits in Hyperledger Sawtooth enthaltenen Democode werde die Lösung eine Bibliothek sowie Templates für Anwendungen bereitstellen, die Lieferketten überwachen.

Doch damit nicht genug. Noch im ersten Quartal 2019 will Hyperledger zudem die Administratoren zertifizieren, welche die Hyperledger Fabric installieren, konfigurieren, betreiben sowie verwalten können. Für Sawtooth seien die Examen bereits live.

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Tolerantes Treibhaus

In Basel bemühte Hyperledger immer wieder das Selbstbild eines Treibhauses in dem verschiedene Projekte nebeneinander gedeihen. Und das beinhaltet offenbar auch einen gewissen Wildwuchs: So bedienen Sawtooth und Fabric beispielsweise ähnliche Anwendungen. Auch nach außen hin will man sich offenbar nicht verschließen und betrachtet sich weniger als Konkurrenz zu public Blockchains, wie Ethereum, sondern als eine Art „Mittelgrund“.

Ähnlich offen gibt sich das Multiprojekt auch auf menschlicher Ebene. Mit einer „Diversity in Blockchain Happy Hour“ am Vorabend des eigentlichen Forums zeigten die Veranstalter bereits, wieviel Wert sie auch eine möglichst bunt gemischte Community und deren Feedback legen. Behlendorf versteht derlei Diversität als stärkendes Element, denn gute Ideen kämen oftmals aus unerwarteter Richtung. Diese Geisteshaltung war dabei während der gesamten Veranstaltung spürbar, nicht zuletzt auf der Closing Session, bei der das Publikum um kritische Kommentare und Verbesserungsvorschläge gebeten wurde.

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Schon zuvor überließ Behlendorf mit Bruce Schneier einem prominenten, kritischen Geist die Hauptbühne – die beiden kennen sich übrigens von ihrer gemeinsamen Arbeit im Board of Directors der Electronic Frontier Foundation (EEF). Auch Schneiers grundlegende Betrachtungen zu Sicherheit und Vertrauen in öffentlichen Blockchains eröffneten einen alternativen Blickwinkel auf die Technik – ließen aber zugleich auch Raum, über die Vorzüge privater Ledger zu sinnieren.

ITSM und PaaS mit Blockchain

Während Sicherheitsexperte Schneier sich mit seinen Betrachtungen in beinahe philosophische Höhen emporschwang, konnten sich Besucher in den Vortragspausen mit den eher praktischen Seiten von Blockchainanwendungen auseinandersetzen. Neben den erfolgreich abgeschlossenen Projekten der Hyperledger-Praktikanten gab es dabei auch die Lösungen verschiedener Anbieter zu sehen. KompiTech erläuterte beispielsweise, sich ein IT Service Management mit Blockchain und Smart Contracts sinnvoll ergänzen lässt. Bei diesem Konzept können Kunde und Anbieter dann nachvollziehbar über Probleme, Vorfälle und SLA austauschen.

Zudem brachten sich etliche Anbieter in Stellung, um Kunden bei Aufbau und Betrieb von Blockchainlösungen unter die Arme zu greifen: Xooa offerierte hierfür beispielsweise etwa eine per Web steuerbare PaaS für Blockchain-Awendungen, Altoros warb mit Consulting und Implementierung.

Techniktalks für alle Niveaus – auch auf YouTube

Wer sich selbst tiefer mit der Technik auseinandersetzen wollte, bekam dazu freilich auch mehr als genug Gelegenheiten. Vergleichsweise allgemein verständlich schilderte etwa Alexis Gauba – Co-Founder, Mechanism Labs and She(256); R&D, Blockchain at Berkeley; R&D, ThunderCore – auf der Keynotebühne wie sich Blockchain-Netzen ein Konsens herstellen lässt. Wie sich verteilte Ledger prinzipiell kategorisierten lassen erläuterte in einem kleineren Saal derweil Michael Rauchs von der University of Cambridge. Praktisch wurde es schließlich mit Gero Dittmann und Jens Jelitto: Die beiden IBM-Mitarbeiter führten mit einem RaspberryPi vor, wie sich auch leistungsärmere IoT-Geräte per SDK Proxy mit der Hyperledger Fabric verknüpfen lassen.

Im Nachgang hat Hyperledger übrigens zahlreiche Videos der Veranstaltung auf YouTube bereitgestellt.

Geeks im Keller

Noch viel spezieller wurde nach Abschluss der ersten beiden Konferenztage. Nachdem die großen Vortragssäle geschlossen und die Ausstellerstände abgebaut waren, trafen sich die technisch besonders versierten Teilnehmer mit Laptops gerüstet zu den Workshops im Untergeschoss des Basel Congress Center. Dort wurden dann Umgebungen für unterschiedliche Hyperledger-Projekte aufgesetzt und Anwendungen ausprobiert.

Am Wochenende schloss sich zudem noch ein Hackathon unter dem Motto „Blockchain for Good“ an. Per Retweet auf Twitter bestätigte Brian Behlendorf den Gewinner: Eine dezentralisierte Lösung zur ID-Protection, die auf Hyperledger Indy basiert.

Transparenzhinweis

Der Autor reiste auf Einladung und Kosten von Hyperledger zur Veranstaltung.

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