Abschied vom Monolithen Wie die Migration zu Microservices gelingt

Ein Gastbeitrag von Brend Rücker * 4 min Lesedauer

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Aufgrund steigender Kundenanforderungen und immer mehr Regulierungen sind Unternehmen gezwungen, ihre Prozesse stetig anzupassen und zu verbessern. Ein Weg dahin ist die Ablösung von Legacy-Monolithen durch moderne Microservices-Architekturen.

Durch ihren modularen Aufbau lassen Microservices sich unabhängig voneinander entwickeln und später ebenso unabhängig voneinander betreiben.
Durch ihren modularen Aufbau lassen Microservices sich unabhängig voneinander entwickeln und später ebenso unabhängig voneinander betreiben.
(© Asha Sreenivas - stock.adobe.com)

Monolithische Anwendungen waren gestern, heute gibt es die Cloud und Microservices. Das sagt sich leicht, doch vielen Branchen sind von der Migration zu diesen neuen Technologien weit entfernt. Ein Beispiel dafür sind Finanzinstitute. Sie kämpfen häufig mit gewachsenen Strukturen aus Legacy-Software.

Oft stecken dahinter überholte Prozesse, etwa das Ausfüllen von Papierformularen. Bankkunden wollen aber heutzutage ein Konto online eröffnen, ganz einfach mit dem Smartphone, denn dieses Level an Digitalisierung ist für die meisten von uns inzwischen selbstverständlich.

Doch der Weg zur digitalen Kontoeröffnung trifft dann auf Legacy-Anwendungen, die aus historischen Gründen wild miteinander integriert sind. Der Antrag wandert nun über einen verschlungenen Weg zum Kernsystem mit der Kontoführung. So etwas lässt sich gut als Spaghetti-Integration beschreiben: Es ist wie bei einem Nudelteller sehr schwer, einem einzelnen Strang zu einem bestimmten Zielsystem zu folgen.

Eine der Folgen ist, dass typische Kundenanforderungen von heute nicht erfüllt werden. So sind viele Leute nicht mehr bereit, tagelang auf die Eröffnung eines Kontos zu warten - und sie erwarten Transparenz über den aktuellen Bearbeitungsstand. Auf der anderen Seite gibt es ständig neue Regulierungen, die von den Banken irgendwie in ihre Systeme übertragen werden müssen. Doch in dem Spaghetti-Knäuel ist unklar, wo eine Änderung eingebaut werden soll und welche Auswirkungen sie auf die Abfolge der anderen Schritte im Prozess hat.

Schrittweise Migration zu Microservices

Das Ziel ist also klar: Eine neue Anwendungslandschaft, die klar strukturiert ist und auf Microservices basiert. Durch ihren modularen Aufbau lassen Microservices sich unabhängig voneinander entwickeln und später ebenso unabhängig voneinander betreiben. Dadurch lassen sich große, riskante, monolithische Releases vermeiden.

Microservices verbreiten sich also nicht ohne Grund in den Unternehmen. Anders als bei einer monolithischen Anwendung können verschiedene Entwicklungsteams unabhängig voneinander an verschiedenen Funktionen arbeiten. Dadurch erreichen Unternehmen eine höhere Entwicklungsgeschwindigkeit. Weitere Merkmale von Microservices wie die Fehlerisolierung oder die unabhängige Skalierung vereinfachen und beschleunigen den Betrieb aller Anwendungen.

Allerdings ist der Weg zu einer Microservices-Architektur schwer. Sinnvoll ist ein schrittweises Vorgehen, bei dem man sich an den einzelnen Geschäftsprozessen orientiert. Man kann dann einzelne Teile des Prozesses nach und nach auf die neue Software-Architektur umstellen. Doch dafür muss zunächst mal Ordnung in die Prozesse gebracht werden, denn die oben erwähnte Spaghetti-Architektur hat Rückwirkungen auf die Gesamtprozesse: Sie sind ebenso undurchschaubar wie die IT dahinter.

Prozesse nachvollziehbar machen

Der erste Schritt dazu ist, die Prozesse zu visualisieren, um sie nachvollziehbar zu machen. Eine Process Orchestration Platform kann modellierte Prozesse ausführen, meist im Standard-BPMN (Business Process Model and Notation).

Mit so einer Steuerung lässt sich auch ein Prozess ausführen, der nur auf Ereignisse aus dem bisherigen System reagiert und damit dessen Fortschritt visualisiert. Ereignisse können dabei zum Beispiel per API aus den Legacy-Systemen ausgelesen werden und dann Prozesse starten oder „weiterschieben“, so dass dieser erste Schritt ohne große Eingriffe in die bestehende IT-Architektur stattfinden kann. Es entsteht dabei eine Art digitaler Zwilling des Legacy-Prozesses.

Das ist mit wenig Aufwand verbunden und stellt auch kein Risiko dar, da zunächst nicht in die Implementierung des Prozesses eingegriffen wird. Durch die Visualisierung entsteht ein besseres Verständnis des aktuellen Prozesses. Das Mapping der einzelnen Ereignisse prüft dabei, ob das Prozessmodell eine Wunschvorstellung oder Realität ist. Zudem liefert die Process Orchestration Platform Metriken wie Liege- oder Durchlaufzeiten und gibt somit Hinweise auf Flaschenhälse.

Auf Basis dieses ersten Schritts und der dabei entstehenden Metriken ist eine graduelle Transformation zu orchestrierten Microservices möglich. Das Unternehmen sollte sich eine bestimmte Aufgabe im Prozess heraussuchen und diese vom reinen Tracking auf Orchestrierung umstellen. Dafür hat sich folgende Vorgehensweise bewährt:

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Zunächst wird die implizite Integrationslogik entfernt, sodass die Aufgabe zielgerichtet vom Orchestrator angesteuert werden kann. Anschließend benötigt die entsprechende Funktionalität eine geeignete Schnittstelle und muss abrufbar gemacht werden. Zum Schluss wird dann die gesamte Schnittstelle über den Prozess in der Plattform orchestriert.

Alles mit einer Orchestrierungsplattform steuern

Der jeweilige Prozess (oder Teilprozess), produktiv ausgerollt, bringt schnell einen Mehrwert. Unternehmen trennen sich damit Schritt für Schritt von Legacy-Anwendungen und dem damit verbundenen Spaghetti-Chaos und sind in der Lage, alle Prozesse mit einer Orchestrierungsplattform zu überblicken und zu steuern. Diese neue Architektur erlaubt außerdem eine vereinfachte und schnellere Weiterentwicklung der Prozesse. So können Customer Experience, Prozesseffizienz oder die Einhaltung von Risiko- und Compliance-Anforderungen verbessert werden.

Viele Unternehmen erproben auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in ihren Prozessen. Durch eine saubere Orchestrierung ist dies einfacher möglich, da nun mit Hilfe eines Konnektors eine Schnittstelle zu einem KI-Tool geschaffen werden kann. Ein Beispiel: Die Bewertung des Kreditausfallrisikos wird unter bestimmten Umständen von einer KI übernommen und nicht mehr von einem Mitarbeitenden.

Man kann also sagen, dass Prozessorchestrierung plus Microservices es erlauben, Innovationen einfacher umsetzen. Die digitale Transformation wird dadurch beschleunigt. Unternehmen können erste Schritte einfach angehen und sich nach und nach vom Monolithen verabschieden. Zwar ist eine solche Migration keine triviale Aufgabe, aber realistischer als ein Big Bang.

Fazit

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, den steigenden Kundenansprüchen gerecht zu werden und sich schnell an Regularien anpassen zu können, führt kein Weg an der Modernisierung von Legacy-Systemen vorbei. Eine Microservices-Architektur gepaart mit Prozess-Orchestrierungs​plattform ist dabei eine Lösung, die sich schrittweise einführen lässt, ohne größere Ausfälle zu riskieren. Mit der richtigen Herangehensweise lässt sich so auch Spaghetti-Chaos entwirren.

* Über den Autor
Bernd Rücker ist Mitgründer und Chief Technologist von Camunda, einem Anbieter von Software zur Prozessorchestrierung. Als passionierter Softwareentwickler hat er die Prozessautomatisierung von Unternehmen wie Zalando, Deutsche Bahn oder Deutsche Telekom unterstützt. Bernd ist zudem der Autor von „Practical Process Automation“ und Co-Autor des „Praxishandbuch BPMN“.

Bildquelle: Camunda

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