Public vs. Permissioned Blockchains Skalierbarkeit der Blockchain

Anna Kobylinska und Filipe Pereira Martins

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Viele glauben, die Blockchain-Technologie biete eine breite Skalierbarkeit. Dabei haben zum Beispiel öffentliche Blockchains nachweislich ihre Probleme mit der Skalierbarkeit. Die dezentralisierte Natur der Blockchain stellt sich hier der Skalierbarkeit quasi in den Weg. Berechtigungspflichtige Blockchain-Plattformen (permissioned blockchains) können helfen.

Mit der Skalierbarkeit ist es bei öffentlichen Blockchains wie Ethereum meist nicht ganz so weit her.
Mit der Skalierbarkeit ist es bei öffentlichen Blockchains wie Ethereum meist nicht ganz so weit her.
(Bild: ©Siarhei - stock.adobe.com)

Das Interesse an Blockchain-Technik wächst rasant auch im Unternehmensumfeld. Satte 95 Prozent der Firmen, welche das Beratungsunternehmen Deloitte kürzlich für Deloitte’s 2019 Global Blockchain Survey befragt hatte, möchten nach eigenen Angaben im laufenden Jahr in Blockchain-Technologie investieren. Für acht von zehn Unternehmen stelle die Blockchain sogar eine „strategische Priorität“ dar. 84 Prozent der befragten Führungskräfte glauben, dass sich die Blockchain langfristig durchsetzen werde, und bescheinigen der Technik eine „breite Skalierbarkeit“.

Mit der Skalierbarkeit ist es allerdings zumindest bei öffentlichen Blockchains wie Ethereum nicht ganz so weit her. Bei öffentlichen Blockchains besteht nämlich die Notwendigkeit, die Gültigkeit von Transaktionen durch ein besonders aufwändiges Konsensverfahren zu validieren, an dem sich auch bösartige Peers beteiligen können. Die Kommunikation der Knoten untereinander führt zur Entstehung erheblicher Latenzen bei der Verarbeitung von Transaktionen und führt zu hohen Transaktionskosten und einem niedrigen Transaktionsdurchsatz. Bei Anwendungen, die Echtzeitverfügbarkeit garantieren müssen — wie etwa im Falle von IoT-Tracking der Ereignisse in einer Versorgungskette — sind diese Eigenschaften denkbar ungeeignet.

Der Datenabgleich der gesamten global verteilten Ethereum-Blockchain kostet Zeit, verursacht Latenzen und beschränkt die Skalierbarkeit; in der Abbildung: geografische Verteilung öffentlich zugänglicher Knoten.
Der Datenabgleich der gesamten global verteilten Ethereum-Blockchain kostet Zeit, verursacht Latenzen und beschränkt die Skalierbarkeit; in der Abbildung: geografische Verteilung öffentlich zugänglicher Knoten.
(Bild: Ethernodes.org)

Das Ethereum-Netzwerk (ETH) brüstet sich derzeit beispielsweise mit über 8000 Knoten, die zu einem beliebigen Zeitpunkt aus dem öffentlichen Internet ansprechbar sind; insgesamt soll es schätzungsweise so um die 25.000 aktiver Knoten geben. Der Datenabgleich zwischen diesen Teilnehmern kostet Zeit und verursacht Latenzen. Je mehr Teilnehmer einen Konsens über den Zustand der gemeinsamen Blockkette suchen, umso länger müssen sie in der Regel aufeinander warten, bis sie sich auf einen neuen Zustand des gemeinsamen Protokolls geeinigt haben.

Wenn die Blockchain einmal ins Stottern gerät…

Ethereums Haupt-Blockchain kommt derzeit auf eine Transaktionsrate von durchschnittlich etwa 7,4 Transaktionen pro Sekunde (Stand August 2019). Das Aufzeichnen einer einzelnen Transaktion dauert laut dem Informationsdienst ETH Gas Station durchschnittlich so um die 1,2 Minuten. Damit ist Ethereum in der aktuellen Ausführung (ohne zusätzliche Erweiterungen) viel zu langsam für den gewerblichen Einsatz. Dennoch bauen zahlreiche Startups ihre Dienste auf Ethereum auf.

Die Bitcoin-Blockchain ist noch langsamer; sie verzeichnet im Durchschnitt nur etwa vier Transaktionen pro Sekunde (Quelle: bitinfocharts.com). Zum Vergleich: VisaNet verarbeitet durchschnittlich so um die 3500 Transaktionen pro Sekunde (TPS) und ist damit um den Faktor 100 schneller als Ethereum. Die maximale Obergrenze bei dem (zentralisierten) Netzwerk von Visa liegt bei satten 55.000 TPS. Die Ethereum-Gemeinde muss sich derzeit mit einer oberen Leistungsgrenze von ca. 25 Transaktionen pro Sekunde begnügen.

Alternative Plattformen mit einer zentralisierten Architektur wie Ripple kommen an die Performance von Visa problemlos heran, können jedoch genau wie Visa mit den Vorteilen einer im wahrsten Sinne dezentralisierten Blockchain nicht trumpfen.

Bei privaten Blockchains ist das Problem der Skalierbarkeit deutlich weniger stark ausgeprägt als bei öffentlichen Blockketten. Eine private Blockchain wie die viel versprechende Billon-DLT soll um die 160 Millionen von Transaktionen pro Tag verarbeiten und damit mit der Performance von Visa Schritt halten können. Die Blockchain-Technologie der Billon-DLT ist jedoch proprietär. Sie unterliegt der Kontrolle der Billon Group Ltd und wird durch Fördermittel der Europäischen Union finanziert. Ungeachtet der vielen sonst interessanten Features kann von Unabhängigkeit hier bisher nicht die Rede sein.

Öffentliche Blockchains wie Ethereum können den Anspruch auf Autonomie viel eher erheben als private oder Konsortium-kontrollierte Blockchains. Öffentliche Blockchains schaffen das nötige Vertrauen in die Unabhängigkeit von der Monopolstellung eines einzelnen Akteurs. Das Interesse ist daher enorm.

Wenn alle in einem Boot sitzen: Die Popularität des Spiels Cryptokitties brachte alle Ethereum-basierte Anwendungen im vergangenen Jahr wiederholt ins Stottern.
Wenn alle in einem Boot sitzen: Die Popularität des Spiels Cryptokitties brachte alle Ethereum-basierte Anwendungen im vergangenen Jahr wiederholt ins Stottern.
(Bild: Cryptokitties.co)

Die lahme Transaktions­geschwindigkeit von Ethereum und anderen öffentlichen Blockchains wird für die verteilten Anwendungen, die darauf aufsetzen, leicht zum Bremsklotz (mehr dazu im Bericht „Dezentralisierte Blockchain-Anwendungen: DApps entwickeln und monetisieren“). Die Engpässe nehmen zum Teil sogar skurrile Ausmaße an. Im vergangenen Jahr hat ein Spiel namens CryptoKitties von Axiom Zen das gesamte Ethereum-Netzwerk wiederholt in die Knie gezwungen. CryptoKitties erlaubt den Nutzern den Kauf „persistenter virtueller Katzen“ in Form von sogenannten Krypto-Sammelstücken oder NFTs (kurz für Non-Fungible Tokens). Das Spiel soll Beobachtern zufolge viele seriösere Anwendungen von Ethereum verdrängt haben.

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Fallstricke der Blockchain-Skalierbarkeit

Die Ethereum-Gemeinde arbeitet bereits an einer permanenten Lösung des Skalierbarkeits-Problems. In der nächsten Generation des öffentlichen Blockchain-Frameworks, in Ethereum 2.0, möchte die Gemeinde der schwierigen Problematik der Skalierbarkeit durch drei grundlegende Verbesserungen begegnen:

  • die Umstellung auf ein modifiziertes PoS-Konsensverfahren (Proof-of-Stake) namens Casper mittels Beacon Chain und Casper FFG,
  • Blockchain-Sharding: das Aufteilen der Blockchain in Partitionen, die sogenannten Shards, um die Verarbeitung von Transaktionen zu parallelisieren,
  • die Einführung von Unterstützung für eWASM (Ethereum-flavored WebAssembly), einen Subset des offenen W3C-Standards, welches speziell für die Ausführung von smarten Verträgen auf Ethereum entwickelt wurde.

Die Probleme der Skalierbarkeit öffentlicher Blockchains beschränken sich natürlich nicht auf Ethereum.

Unternehmen wollen natürlich nicht erst noch warten müssen, bis die Entwickler öffentlicher Blockchain-Frameworks die Kinderkrankheiten ihrer Lösungen in den Griff bekommen haben werden. Interessierte Blockchain-Anwender suchen nach produktionsreifen Lösungen.

Ein beliebter Ansatz besteht in der Off-Chain-Aufzeichnung von Transaktionen über eine andere Plattform. So funktionieren beispielsweise Micropayments auf Ethereum. Die Gefahren von Off-Chain-Transaktionsaufzeichnung in parallelen Chains externer Anbieter sind dennoch real. Sie reichen von Problemen mit dem Vendor-Lock-In bis hin zu Fragen der Manipulationssicherheit.

In vielen Anwendungsszenarien schaffen berechtigungspflichtige Blockchains (Engl. permissioned blockchains) wie Hyperledger Sawtooth, Hyperledger Fabric der Linux Foundation oder Microsofts ebenfalls quelloffene Framework Azure/coco Abhilfe. Diese Plattformen können einen wesentlich höheren Transaktionsdurchsatz bewältigen als rein öffentliche Blockchains. (Microsoft spricht bei Azure/coco beispielsweise von 1700 TPS.)

Berechtigungspflichtige Blockhains lassen sich im Übrigen als „Transaktionsbeschleuniger“ öffentlicher Blockchains nutzen. Mit Quorum hat Consensys eine solche berechtigungspflichtige Blockchain-Plattform mit einem eigenen Konsensverfahren namens Istanbul BFT  entwickelt, die sich als eine Ethereum-Erweiterung versteht.

Wer sind die Verräter? Das „Problem der byzantinischen Generäle“, eine Fragestellung der Informationstechnik, findet bei der Blockchain praxisnahe Anwendung.
Wer sind die Verräter? Das „Problem der byzantinischen Generäle“, eine Fragestellung der Informationstechnik, findet bei der Blockchain praxisnahe Anwendung.
(Bild: gemeinfrei / Madrid National Library)

Das hängt schlicht und ergreifend damit zusammen, dass das Konsensverfahren bei öffentlichen Blockketten der Tatsache Rechnung trägt, dass zumindest einige (anonyme) Teilnehmer garantiert nichts Gutes im Sinne haben — es ist nur nicht bekannt, um welche es sich dabei genau handelt. Dieser Sachverhalt ist in der Informationstechnik als das sogenannte „Problem der byzantinischen Generäle“ bekannt: Es gibt Verräter, nur lassen sich diese an keinerlei eigenen Merkmalen erkennen. Erst das Verhalten des gesamten Netzwerks kann Aufschluss darüber geben, wer jetzt genau „aus der Reihe tanzt“ und die gemeinsamen Ziele der Teilnehmer unterwandert, um sich unlautere Vorteile (durch manipulierte Transaktionen etwa) zu erschleichen. Blockchain-Konsensverfahren streben daher die sogenannte byzantinische Fehlertoleranz an. Dieses Feature fällt logischerweise zu Lasten der Skalierbarkeit.

Bei berechtigungspflichtigen Blockchains wie Hyperledger Fabric oder Sawtooth gestaltet sich die Konsensfindung schon allein deswegen wesentlich effizienter, da sich die berechtigten Validators als vorab als vertrauenswürdig einstufen lassen. In einem solchen Blockchain-Netzwerk sind alle Teilnehmer bekannt, haben idealerweise ein gemeinsames finanzielles Interesse und arbeiten auf dieselben Ziele hin. Solche Blockchains können ebenfalls auf quelloffenen Blockchain-Frameworks aufsetzen, müssen jedoch den Zugang auf eine Gruppe bekannter, vertrauenswürdiger Netzwerkteilnehmer beschränken.

Beispiel einer hybriden Blockchain-Lösung: IoT-Überwachung einer Versorgungskette unter Verwendung einer Azure SQL Datenbank mit Anbindung an Ethereum, Hyperledger Fabric und Corda.
Beispiel einer hybriden Blockchain-Lösung: IoT-Überwachung einer Versorgungskette unter Verwendung einer Azure SQL Datenbank mit Anbindung an Ethereum, Hyperledger Fabric und Corda.
(Bild: Microsoft)

In Echtzeit-kritischen Nutzungsszenarien setzen Unternehmen immer öfter auf hybride Lösungen: eine Kombination aus konventionellen Datenbanken und Blockchains.

Fazit

In der digitalisierten Wirtschaft darf die Transaktionsabwicklung niemals ins Stottern geraten. Öffentliche Blockchains haben damit nachweislich ihre Probleme. Technische Maßnahmen wie Blockchain-Sharding können dennoch Abhilfe schaffen. Wer solange nicht warten möchte, ist mit berechtigungspflichtigen Blockchain-Plattformen vorerst auf der sicheren Seite.

Über die Autoren: Anna Kobylinska und Filipe Pereira Martins arbeiten für McKinley Denali Inc. (USA).

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